Das Empire State Building, das 1931 im Art-Deco-Stil in New York erbaut wurde, war mit seinen 381 Metern Höhe und 86 Stockwerken bis 1972 das höchste Gebäude der Welt. Ein Bauwerk der Superlative aus zehn Millionen Mauersteinen und mehr als 54.000 Tonnen Stahlträgern.
Wichtiges Augenmerk war natürlich der Eingangsbereich: 30 Meter lang und drei Stockwerke hoch ist die Empfangshalle, verkleidet mit Marmor aus Deutschland. Rund zwei Millionen Touristen werden jährlich an ihm vorbei geschleust. Was die drei Architekten des New Yorker Wolkenkratzers Shreve, Lamb und Harrison bewog, den so genannten deutschen "Lahn-Marmor" auszuwählen, ist allerdings nicht bekannt.
Er kommt vor im Landkreis Limburg-Weilburg in den Farben schwarz, grau, rot und bunt-schillernd. Heute sind die rund zwölf Abbaustätten von Hecken überwuchert. Nur einer der Steinbrüche existiert noch.
Dieser rote Marmor in der Gemeinde Villmar ist weltweit einzigartig und inzwischen als Naturdenkmal ausgewiesen. Entstanden ist der Lahn-Marmor vor etwa 350 Millionen Jahren. Zu dieser Zeit waren große Gebiete Europas von einem Meer bedeckt, dem so genannten Devonmeer. Vulkaneruptionen schufen Erhebungen im Wasser, auf denen bald Riffe entstanden.
So genannte Stromatoporen, ausgestorbene Meerestiere, die Ähnlichkeiten mit den heutigen Korallen und Schwämmen besaßen, bildeten die Riffe bei einer Wassertemperatur von etwa 24 Grad Celsius aus. Eine derartige tropische Wassertemperatur war Voraussetzung für das Wachstum, ist allerdings in unseren Breiten nicht denkbar.
Doch zu dieser Zeit lag der europäische Kontinent noch am Äquator. Muscheln, Schnecken und Schwämme siedelten sich an und die Ausscheidungen dieser Lebewesen färbten den Kalk allmählich schwarz. Dazu kam eisenhaltiges Wasser, das durch die Vulkantätigkeit entstand und andere Stellen des Kalkes gelb, braun und rot färbte oder auch adrig durchzog.
Durch die Verschiebung der Kontinentalplatten wanderte Europa im Laufe der Zeit auf die nördliche Halbkugel. Gebirge schoben sich über das farbige Kalkgestein. Geologisch betrachtet ist der Lahn-Marmor, wie übrigens viele andere farbige Sorten, kein ganz echter Marmor.
Er konnte nicht auskristallisieren, denn er ist nicht wie der echte unter extrem hohem Druck und Temperatur entstanden. Unter derartigen Bedingungen in großen Tiefen hätte er seine besondere Farbigkeit verloren. Gerade diese Eigenschaft aber hat ihn so begehrenswert gemacht. Nicht nur die Eingangshalle des Empire State Building wurde mit Lahn-Marmor ausgestattet.
Auch so berühmte Gebäude wie der Palast des Maharadschas von Tagore in Indien, die Eremitage in St. Petersburg und der Kreml haben Lahn-Marmor zur Zierde. Ebenso kann man ihn im barocken Marmorbad im Weilburger Schloss, am Berliner und Würzburger Dom und in der Klosterkirche Amorbach bewundern.
(Erstveröffentlichung: 2004. Letzte Aktualisierung: 09.01.2020)