Wandernde Kontinente
Es ist noch nicht allzu lange her, dass Geologen die Entstehung von Gebirgen damit erklärten, dass die ursprünglich heiße Erde sich abkühle und dadurch schrumpfe. Diese Schrumpfung der Erde führe – ähnlich wie beim Schrumpfen eines Apfels – zu Runzeln an der Oberfläche: eben zu den Gebirgen.
Alfred Lothar Wegener, ein 1880 in Berlin geborener deutscher Meteorologe, Geologe und Polarforscher, erarbeitete die Grundlagen für einen völlig neuen Erklärungsansatz. Die Ähnlichkeit der Küstenkonturen von Afrika und Südamerika, die wie zwei Teile eines Puzzles ineinander zu passen scheinen, war schon lange bekannt. Auch Wegener fragte sich, ob die beiden Kontinente in der Vergangenheit einmal zusammengehört hatten.
Alfred Wegener entwickelte die Theorie der Kontinentalverschiebung
Auf der Suche nach einer Antwort begann er, die Verwandtschaft zwischen Fossilfunden aus Fauna und Flora auf beiden Seiten des Atlantiks genauer zu studieren. Zusätzlich führte er geologische Untersuchungen durch, bei denen er erstaunlich enge Zusammenhänge zwischen den Gesteinen der beiden Küsten entdeckte.
Er sammelte eine Vielzahl von Belegen und entwickelte schließlich daraus seine Theorie der Kontinentalverschiebung. Nach seinen Vorstellungen waren Afrika und Südamerika tatsächlich einmal eins. Doch die Kontinente würden über den Globus driften und somit beständig ihre Position verändern.
Die Fachwelt konnte er allerdings nicht überzeugen. Der Grund für die Ablehnung war dabei so banal wie grundlegend: Den entscheidenden Punkt, nämlich welche Kräfte für eine Bewegung der Kontinente sorgen sollten, konnte er nicht mehr aufklären. Er starb 1930, kurz nach seinem 50. Geburtstag, während seiner dritten Grönlandexpedition.
Seltsame Muster am Meeresgrund
In den 1950er- und 1960er-Jahren begann die US-Marine mit der grundlegenden Erforschung der Weltmeere. Dabei wurde auch per Echolot die Topologie des Meeresbodens vermessen. Es zeigte sich, dass der Meeresgrund keineswegs so eintönig war wie angenommen. Die Messungen offenbarten riesige Gebirgszüge, lange Steilhänge, große Vulkane und tiefe Gräben. Wie ließen sich solche Strukturen erklären?
Untersuchungen des Magnetfeldes, wie sie bei der Suche nach Erzlagerstätten durchgeführt werden, brachten schließlich den Durchbruch. Die Messungen führten zu erstaunlich regelmäßigen Mustern, die sich auf beiden Seiten der mittelozeanischen Rücken spiegelten. Dabei wechselten sich Streifen, die in Richtung des Erdmagnetfeldes magnetisiert wurden, mit Streifen ab, die exakt entgegengesetzt magnetisiert wurden.
Den Forschern wurde klar, dass sich das Erdmagnetfeld wohl regelmäßig innerhalb der Erdgeschichte umgepolt haben musste. Außerdem erkannten sie, dass der Meeresboden sich ausgehend von den mittelozeanischen Rücken ausbreitete. Je weiter man sich von den Rücken entfernte, umso älter war das Gestein.
Die Kontinente sind fest mit den Gesteinen des Meeresbodens verbunden. Wenn sich letzterer aber ausbreitet, muss es auch eine Bewegung der Kontinente geben. Wegeners Theorie der Kontinentalverschiebung wurde plötzlich wieder aus den Schubladen geholt und nun mit ganz neuen Augen gesehen.
Die Theorie
Nach der heute allgemein anerkannten Theorie der Plattentektonik besteht die äußere Erdkruste aus sieben großen und einer Anzahl deutlich kleinerer Platten, die rund 100 Kilometer in die Tiefe reichen. Diese treiben allerdings nicht auf dem glutflüssigen Erdinneren, wie oft angenommen.
Das Gestein unter den Platten ist prinzipiell fest, allerdings findet durch den hohen Druck und die hohen Temperaturen eine Art plastisches Fließen statt, vergleichbar mit dem Fließen eines Gletschers, der letztendlich auch nicht aus flüssigem, sondern aus festem, gefrorenem Eis besteht.
Als treibende Kraft für die Fließbewegungen im Erdinneren gelten Konvektionsströme, die durch die hohen Temperaturen im Erdinneren erzeugt werden (der Erdkern ist weit über 6000 Grad Celsius heiß). Dabei steigt das heiße Material zur Erdoberfläche auf, während im Gegenzug kühleres Material ins Erdinnere absinkt.
Inzwischen lassen sich durch die moderne Satellitentechnik die Bewegungen der einzelnen Platten recht genau ermitteln. Dabei haben die modernen Messungen die Werte, die die Wissenschaftler bereits am Meeresboden entdeckten, bestätigt.
Die Kontinente wandern mit der Geschwindigkeit wachsender Fingernägel über den Globus. Eine Weltkarte bleibt damit geologisch betrachtet immer nur ein Schnappschuss, der erst mit Datumsangabe wirklich schlüssig wird.
Die Kontinente wandern sehr langsam
Was geschieht an den Plattenrändern?
Im Zentrum der Mittelozeanischen Rücken steigt beständig neue Lava nach oben und erstarrt hier zu neuem Meeresboden. Bei diesem Prozess schiebt es den Meeresboden auseinander, man spricht von der sogenannten divergierenden Plattengrenze ("Seafloor Spreading"). Dank moderner Altersbestimmung weiß man heute, dass der Meeresboden weltweit kaum älter als etwa 200 Millionen Jahre ist.
In Anbetracht des Alters von weit über drei Milliarden Jahren, welches man bei Gesteinen auf dem Festland bereits gemessen hat, ist der Meeresboden also noch im Kleinkindalter. Doch auch an Land kann es zur Bildung neuen Plattenmaterials kommen. Der Ostafrikanische Graben ist ein Beispiel, aber auch der Oberrheingraben in Südwestdeutschland gehört hier mit dazu.
Doch wenn die Platten am Meeresboden beständig wachsen, müssen sie an anderer Stelle auch wieder verschwinden. Dies geschieht dort, wo zwei Platten kollidieren. Solche Kollisionen sind häufig mit der Bildung von Gebirgsgürteln verbunden. Wie etwa unsere Alpen, die letztendlich eine Art Knautschzone sind, hervorgerufen durch die Kollision von Afrika mit Eurasien.
Doch es entstehen nicht nur neue Gebirge: Wo kollidierende Platten sich übereinanderschieben, wird eine der Platten in die Tiefe geschoben. Hier beginnt das Gestein dann bei entsprechenden Temperaturen wieder aufzuschmelzen, wobei der Wassergehalt im Gestein eine wichtige Rolle spielt. So sind auch die Bereiche, in denen sich Platten übereinanderschieben, durch erhöhte vulkanische und seismische Aktivität gekennzeichnet.
Platten streben nicht nur auseinander oder aufeinander zu, an manchen Stellen gleiten sie lediglich aneinander vorbei. Bekanntes Beispiel ist die San-Andreas-Verwerfung an der Westküste von Mexiko und der USA. Hier driften die Pazifische Platte und die Nordamerikanische Platte aneinander vorbei.
Die Bewegungen und Reibung der Platten führen zu immensen Spannungen an den Plattengrenzen, die sich immer wieder schlagartig in Verschiebungssprüngen entladen. Die plötzliche Bewegung solch riesiger Gesteinsmassen führt zu schweren Erdbeben, wie etwa beim Beben vom 18. April 1906, welches in San Francisco zu verheerenden Zerstörungen führte.
An der San-Andreas-Verwerfung gleiten Platten aneinander vorbei
Quelle: SWR | Stand: 14.07.2020, 13:00 Uhr