Die Entstehung der Ostsee
Erdgeschichtlich betrachtet ist die Ostsee ein recht junges Meer. Während es die Nordsee seit gut 180 Millionen Jahren gibt, entstand die Ostsee erst vor rund 12.000 Jahren mit dem Abschmelzen des bis zu 3000 Meter mächtigen Eispanzers.
Das sogenannte Inlandeis aus der Zeit der Weichselvereisung bedeckte vor rund 15.000 Jahren nicht nur Skandinavien, sondern auch das Gebiet der heutigen Ostsee sowie weite Teile der norddeutschen und polnischen Ebenen und des Baltikums.
Da zur damaligen Zeit große Wassermassen im Eis gebunden waren, kam es seltener zu Niederschlägen. Deshalb lag der Wasserspiegel, zum Beispiel in der Nordsee, um etwa 80 bis 100 Meter unter dem heutigen Niveau.
Das änderte sich erst, als es vor rund 12.000 Jahren im Zuge der einsetzenden Warmphase zur Freisetzung großer Wassermassen kam, die in Tälern und Niederungen den baltischen Eisstausee entstehen ließen.
Das Abschmelzen des Eises führte gleichzeitig im skandinavischen Raum zu einer erheblichen Druckentlastung der Erdkruste. Die Folge war eine Landhebung, die alle 100 Jahre die Skandinavische Platte um rund drei Meter anhob.
Dieses Phänomen lässt sich heute zum Beispiel an der Westküste des Finnischen Meerbusens beobachten, wo sich ehemalige Sandstrände nun bis zu 300 Meter über dem Meeresspiegel befinden.
Der Prozess der Landhebung hat zwar an Dynamik verloren, ist aber bis heute nicht abgeschlossen. Noch immer hebt sich die Skandinavische Platte alle 100 Jahre um bis zu einen Meter. Am stärksten sind diese Landhebungen an der Westküste des Bottnischen Meerbusens, wo sich das Land jährlich noch immer um etwa acht Millimeter anhebt.
Gleichzeitig kommt es vor allem im südlichen Küstenbereich der Ostsee, in Mecklenburg-Vorpommern, zu einer Landsenkung, da das zähe Magma unterhalb des Erdmantels der Ausgleichsbewegung folgend nach Norden wandert. Forciert wird der Prozess der Landsenkung durch einen klimabedingten Anstieg des globalen Meeresspiegels.
Infolgedessen steigt der Wasserspiegel in manchen Regionen der südlichen Ostsee jährlich um bis zu drei Millimeter. Nachweisen lässt sich dies unter anderem durch 150 Jahre zurückreichende Pegelstandsmessungen entlang der Ostseeküste. Diese Messdaten sind allerdings schon deshalb ungenau, weil sich die Messstationen im Zuge der Ausgleichsbewegungen der Erdkruste selbst verändert haben.
Zuverlässiger sind deshalb über GPS (Global Positioning System) gewonnene Daten in Verbindung mit Radar-Meereshöhenmessungen, die laufend von Erdbeobachtungssatelliten erhoben werden.
Vom Süßwasser zum Brackwasser
Zu den Besonderheiten der Ostsee gehört, dass es nur über die Verbindung zur Nordsee einen eingeschränkten Wasseraustausch mit den salzhaltigen Weltmeeren gibt. Ursprünglich war die Ostsee ein reines Süßwassermeer.
Die Verbindung zur Nordsee entstand erstmals vor rund 12.000 Jahren, als sich das Eis von den mittelschwedischen Endmoränen zurückzog und eine Wasserverbindung zwischen dem heutigen Kattegat und dem südlich von Stockholm gelegenen Gotland-Becken entstand.
Zur wechselvollen Geschichte der Ostsee gehört allerdings, dass diese Verbindung zu den salzhaltigen Weltmeeren zeitweilig auch wieder unterbrochen war und das "Mare Baltikum" allmählich wieder zum Süßwassermeer wurde.
Der Salzwassereinstrom aus dem Westen trifft auf gewaltige Süßwassermengen, die über große Flüsse wie die Oder (Polen), die Weichsel (Polen), die Memel (Litauen), die Düna (Lettland) und die Newa (Russland) in die Ostsee gelangen. Dieses Gemisch aus Süß- und Salzwasser macht die Ostsee zu einem der größten Brackwassergebiete der Erde.
Da die Salzkonzentration nicht einheitlich verteilt ist, sondern in der westlichen Ostsee deutlich höher ist als in den östlichen und nördlichen Regionen, steht das Ökosystem unter Dauerstress. Manchen Lebewesen ist es zu süß, anderen zu salzig und viele Organismen kommen erst gar nicht vor.
Der Seeigel beispielsweise – ein typischer Bewohner der Nordsee – kann in der Ostsee nicht überleben. Auch Seesterne sind in der Ostsee nur in einem regional begrenzten Lebensraum anzutreffen, nämlich in den salzhaltigeren Gebieten der westlichen Ostsee. Östlich von Rügen sind sie kaum noch zu finden.
Ostsee als Siedlungsraum
Schon vor 6000 Jahren lebten die ersten Siedler am Ufer der Ostsee. Unterwasserarchäologen haben an mehreren Stellen ehemalige Siedlungsplätze aus der Jungsteinzeit ausfindig gemacht. Sie liegen heute zum Teil metertief unter Wasser und sind stumme Zeugen dramatischer Veränderungen im Bereich der südlichen Ostseeküste.
Etwa um das Jahr 700 waren es die Wikinger, die als geschickte Bootsbauer und kühne Segler dem Ostseeraum ein neues Gepräge gaben. Die gefürchteten Piraten brachten von ihren Raubzügen nicht nur große Reichtümer mit nach Skandinavien, sondern schufen auch die ersten stabilen Handelsverbindungen im Ostseeraum.
Als der Wikingerhandel im 11. Jahrhundert seinen Höhepunkt erreicht hatte und sich ein Ende ihrer Vorherrschaft abzeichnete, waren es Kaufleute, unter anderem in Lübeck, die mit der Gründung der Hanse und einer gigantischen Handelsflotte mit rund 1000 Koggen dem Ostseehandel einen bis dahin ungeahnten Aufschwung bescherten.
Heute ist die Ostsee nach dem Ende des Kalten Krieges ein mitteleuropäischer Wirtschaftsraum, der durch zahlreiche Kultur-, Handels- und Wirtschaftsprojekte eng miteinander verzahnt ist.
Flora und Fauna im Lebensraum Ostsee
Während sich die Lebewesen in den Ozeanen sowie Flüssen und Seen über Jahrmillionen an ihren salzigen oder süßen Lebensraum anpassen konnten, gilt das nicht für die Organismen und Lebewesen in dem vergleichsweise jungen Brackwassermeer. Folglich gibt es nur eine geringe Artenvielfalt in der Ostsee und kaum echte Brackwasserorganismen.
Die meisten sind eingewanderte marine Lebewesen, die sich im Laufe der Zeit dem salzärmeren Milieu angepasst haben. Das führt auch dazu, dass die Anzahl der verschiedenen Arten in der Ostsee von West nach Ost abnimmt, je weiter der Salzgehalt sich verringert. Umgekehrt sind Süßwasserarten in diesen Regionen weniger vertreten.
Während Pflanzen in der Regel robuster auf Schwankungen im Salzgehalt reagieren, sind höhere Lebewesen sowohl hinsichtlich ihres Nahrungsaufkommens wie auch bei der Pflege ihrer Nachkommenschaft auf einen stabilen Salzgehalt und eine konstante Wassertemperatur angewiesen. Im Brackwasser der Ostsee leben viele Organismen deshalb im Grenzbereich.
Die regionalen und temporären Schwankungen im Salzwassergehalt haben Folgen für die Fischbestände. Verändern sich Salzgehalt und Temperatur des Wassers, so hat das Auswirkungen auf die Nachkommenschaft sowohl der Herings- wie auch der Dorschbestände.
Bedrohte Umwelt: die Ostsee – ein totes Meer?
Die Ostsee ist eine geschundene Region, manche meinen sogar, sie sei auf dem Weg, ein totes Meer zu werden. Noch immer lagern tonnenweise giftige Sprengstoffe auf dem Meeresgrund. Diverse Verkehrsprojekte wie die Öresundbrücke und die geplante Beltquerung sowie Industrieprojekte wie Offshore-Windanlagen, der Kiesabbau und die geplante Gaspipeline hinterlassen tiefe Spuren im Lebensraum.
Dabei ist die Ostsee als Brackwassermeer ein höchst sensibles Gewässer. Pflanzen und Tiere finden hier keine optimalen Lebensbedingungen vor, was nicht zuletzt am wechselhaften Nährstoffkreislauf liegt.
Galt das Brackwasser der Ostsee noch bis in die 1950er-Jahre als besonders nährstoffarm, so änderte sich dies mit der Industrialisierung der Landwirtschaft, als immer mehr Düngemittel in Form von Stickstoffen und Phosphaten über die Flüsse in die Ostsee gelangten. Das hatte zunächst den positiven Effekt, dass die Fischbestände deutlich anwuchsen.
Inzwischen aber klagen Meeresbiologen über die Folgen der Eutrophierung, also der Überdüngung des Meeres, und warnen vor den Folgen dieser Entwicklung. Das Übermaß an Nährstoffen führt vor allem in den Sommermonaten zu einem vermehrten Algenwachstum. Riesige Planktonteppiche treiben dann auf der Wasseroberfläche.
Wenn das Phytoplankton abstirbt, sinkt es auf den Meeresboden, wo es von Bakterien zersetzt wird. Bei diesem Vorgang wird dem am Boden lagernden Salzwasser Sauerstoff entzogen. Zusätzlich setzen die Bakterien beim Abbau der Biomasse Schwefelwasserstoff frei, der für Fische giftig ist, da er die Sauerstoffaufnahme im Blut behindert.
Es gibt zwar einige Lebewesen, die sich auf den geringeren Sauerstoffgehalt vorübergehend einstellen können, aber wenn die Versorgung mit frischem, sauerstoffhaltigem Nordseewasser für längere Zeit ausbleibt, stirbt der Meeresboden. Schätzungsweise zehn bis 20 Prozent der Bodenfläche sind bereits betroffen.
Vor allem in tieferen Regionen wie etwa dem Bornholmbecken, dem wichtigsten Laichgebiet des westlichen Dorschbestandes, sind bereits weite Teile nur noch öde, abgestorbene Fläche. Das muss allerdings nicht so bleiben. Kommt es wieder zu einem außergewöhnlichen Salzwassereinstrom, sodass auch die tiefen Becken der Ostsee wieder mit frischem Salzwasser "belüftet" werden, können sich Flora und Fauna wieder regenerieren.
(Erstveröffentlichung 2009. Letzte Aktualisierung 24.03.2020)