"Wilde Flößerei"
Die Flößerei war viele Jahrhunderte lang eine kostengünstige Transportmethode, um das geschlagene Holz aus den unwegsamen Waldgebieten abtransportieren zu können. Experten unterscheiden dabei zwischen der "wilden" und der "gebundenen" Flößerei.
Bei der wilden Flößerei, auch Trift genannt, stauten die Menschen kleinere Flüsse auf, um dann auf dem Schwall des ablaufenden Wassers das Holz flussabwärts zu schwemmen. Dabei handelte es sich häufig nicht nur um wertvolles Bauholz, sondern vor allem um kürzere Stammstücke, die den enormen Bedarf an Brenn- und Kurzholz in den Städten decken sollten.
"Gebundene Flößerei"
Bei der gebundenen Flößerei banden die Erbauer die Stämme zu einem Fahrzeug aneinander. Um den Holztransport zu erleichtern und von saisonalen Wasserständen unabhängig zu sein, wurden an manchen Orten mit großem Aufwand Wasserläufe begradigt, Floßkanäle angelegt, Stauanlagen errichtet und Ufer befestigt.
Solche Flöße konnten zum Beispiel auf der Kinzig, einem Nebenfluss des Rheins, bis zu 600 Meter lang sein. Meist endete ihre Reise an den großen Bindeplätzen, die es überall dort gab, wo die Nebenflüsse in die großen Gewässer mündeten: in Donau, Rhein, Main, Oder, Elbe oder Weser.
Floßbau
Die Flöße wurden nicht "gebaut", sie wurden "gebunden", wobei die Holzstämme von sogenannten Wieden zusammengehalten wurden. Dabei handelte es sich um dünne Fichten-, Haselnuss- oder Weidenstämme. Arbeiter erhitzen sie im Wiedeofen, sodass der Holzsaft zu kochen begann.
Anschließend drehten sie das Holz ringförmig auf. Damit stand den Flößern ein sehr elastisches und reißfestes Holztau zur Verfügung. Die Wieden wurden durch Löcher gefädelt, die man in die äußeren Stammreihen des Floßes gebohrt hatte. Später wurden die Flöße dann genagelt und mit Querstämmen stabilisiert.
Wirtschaftliche Bedeutung der Flößerei
Spätestens ab dem 13. Jahrhundert gewann die Flößerei zunehmend an Bedeutung. Der Rohstoff Holz war begehrt, nicht nur als Brennstoff oder beim Hausbau, sondern in wachsendem Maße auch beim Schiffbau. Manche Stadt verdankt der Flößerei ihren Wohlstand. Das gilt zum Beispiel für das kleine Städtchen Wolfach an der Kinzig am Rande des Schwarzwaldes.
1544 vermerkte der Theologe Sebastian Münster über Wolfach:
„Das Volck so bey d'Kyntzig wohnet/ besunder umb Wolfach / ernehret sich mit den großen Bawhoeltzern / die sich durch das Wasser Kyntzig gen Straßburgn den rhein floetzen / un groß Gelt jaehrlich erobern“.
(hochdeutsch etwa: "Die Menschen, die beim Fluss Kinzig wohnen, besonders in der Gegend um Wolfach, leben von den großen Bauhölzern, die sie durch die Kinzig in Richtung Straßburg den Rhein hinunter flößen und damit jedes Jahr viel Geld verdienen.")
Die Bedeutung des Holzhandels zeigte sich auch auf dem Arbeitsmarkt. Einer späteren Chronik der Stadt ist zu entnehmen, dass im Jahr 1763 bereits 20 Prozent der erwerbstätigen Bevölkerung unmittelbar im Floßgeschäft tätig waren.
Ein erster Boom im Flößereigeschäft setzte bereits in der Wiederaufbauphase nach dem Dreißigjährigen Krieg (1618 bis 1648) ein. Einkäufer aus den holzarmen Niederlanden dehnten ihre Handelskontakte aus, um das begehrte Holz für den wachsenden Bedarf im Schiffbau decken zu können. Von den Holzhändlern hieß es daher, sie hätten drei Vermögen gehabt: eines im Wald, eines auf dem Wasser und eines auf der Bank.
Am Holz verdienten auch die Handwerker in den Städten und vor allem Herzöge und Fürsten, die auf den Flussstrecken Zoll verlangten. Ende des 17. und vor allem im 18. Jahrhundert setzte dann in der Floßschifffahrt ein regelrechter Boom ein, als es im Verlauf der nordischen Kriege zu einer Unterbrechung im Holzhandel mit Skandinavien kam.
Der enorme Bedarf – vor allem im holländischen Schiffsbau – machte es erforderlich, den Rhein mit den sogenannten "Holländerflößen" zu befahren.
Flößerei auf dem Rhein
Holländerflöße waren riesige schwimmende Holzladungen. Vom Binden über den Transport bis hin zum Verkauf des gesamten Holzes in Dordrecht bei Rotterdam konnte es zwei Jahre dauern. Bis ins 19. Jahrhundert hatten die Holländerflöße eine Länge von bis zu 300 Metern und bestanden auf rund 50 Meter Breite aus mehreren Lagen Holz.
Diese Riesenflöße konnten erst ab Koblenz gebunden werden, denn bis ins 19. Jahrhundert war es ausgesprochen riskant, mit großen Holzflößen das "Binger Loch" zu passieren, das wegen seiner felsigen Enge gefürchtet war. Das änderte sich erst nach mehreren Sprengungen 1830 bis 1841, als die Fahrrinne entsprechend verbreitert wurde.
Eine große Besatzung von 500 bis 600 Flößerknechten befuhr die Holländerflöße. Die Steuerung des Floßes bedeutete harte körperliche Arbeit.
Das Leben an Bord
Die Holländerflöße mit Proviant zu versorgen, muss für die Händler und Bauern an den Bindeplätzen und entlang der Strecke ein einträgliches Geschäft gewesen sein. Laut Aufzeichnungen aus dem Jahr 1841 umfasste der Proviant eines Holländerfloßes von Andernach nach Dordrecht folgende Mengen:
- 40.000 bis 50.000 Pfund Brot,
- 12.000 bis 20.000 Pfund Fleisch,
- 800 bis 1000 Pfund gesalzenes Fleisch,
- 6000 bis 8000 Pfund trockenes Gemüse,
- 10.000 bis 15.000 Pfund Käse,
- 1000 bis 1500 Pfund Butter sowie
- 500 bis 600 Ohm Bier (etwa 40.000 Liter).
In der Regel wohnte und arbeitete die Besatzung etwa drei Monate lang auf dem Floß. Während Floßführer und Steuermann in komfortableren Herrenhütten wohnten, bewohnten die Flößerknechte einfache Hütten aus zusammengezimmerten Brettern, die sie am Ende der Reise verkaufen durften.
Ende des 19. Jahrhunderts verlor das Geschäft an Bedeutung, als das Verkehrs- und Schienennetz ausgebaut wurde und die Schifffahrt auf dem Rhein mehr und mehr über Behinderungen durch die Flößerei klagte. Nach 1945 waren nur noch sporadisch Flöße auf deutschen Flüssen unterwegs. 1967 wurde die Floßschifffahrt auf dem Rhein eingestellt.
(Erstveröffentlichung 2010. Letzte Aktualisierung 08.10.2018)