Die Geschichte der Farbwahrnehmung
Planet Wissen. 29.09.2023. 01:49 Min.. UT. Verfügbar bis 28.09.2027. WDR.
Sehen
Farbe sehen
Farbe ist für uns so alltäglich, dass wir uns selten Gedanken darüber machen. Aber was gibt den Dingen ihre Farbe? Warum ist das Meer blau? Und was ist eigentlich Farbe?
Von Corinna Watschke
Ohne Licht keine Farbe
Ohne Licht gäbe es keine Farbe auf der Welt. Lässt man weißes Licht durch ein Glasprisma fallen, sieht man, dass sich das Licht in dem Glasköper bricht und in verschiedene Farben aufspaltet. Denn Licht besteht aus elektromagnetischen Wellen, wobei jede Farbe eine andere Wellenlänge hat und im Prisma unterschiedlich stark gekrümmt wird.
Das bedeutet: Weißes Licht ist aus farbigen Lichtern, den sogenannten Spektralfarben, zusammengesetzt. Sie sieht man auch bei einem Regenbogen. Schon der englische Naturforscher und Mathematiker Isaac Newton (1643-1727) entdeckte die verschiedenen Farben des Lichts, darunter die drei Primärfarben Rot, Grün und Blau.
Wir können übrigens nur etwa 40 Prozent der im Sonnenlicht enthaltenen Farben sehen.
Additive und subtraktive Farbmischungen
Grundsätzlich unterscheidet man zwischen sogenannten Lichtfarben und Körperfarben. Die Lichtfarben tauchen im Lichtspektrum auf, während die Körperfarben auf die Eigenschaften materieller Körper, zum Beispiel Gras, zurückgehen.
Deswegen gibt es zwei Arten von Farbmischungen. Die eine nennt man additive Farbmischung – sie entsteht durch das Zusammenfügen (Addition) von zwei oder mehreren farbigen Lichtquellen.
Ein Beispiel: Wenn man rotes und grünes Licht mischt, dann entsteht an der Schnittstelle, an der sich beide Lichtfarben mischen, Gelb. Gibt man dann noch violettblaues Licht dazu, so entstehen an den anderen Schnittstellen noch Zyanblau und Magentarot. In der Mitte, wo sich alle drei Lichtfarben überlagern, entsteht weißes Licht.
Bei der additiven Farbmischung addiert sich die Strahlungsenergie der Farben, das bedeutet: Beim Übereinander der Lichtfarben entstehen hellere Farbtöne.
Additive Farbmischung
Von subtraktiver Farbmischung spricht man dagegen, wenn von einer Lichtquelle Strahlungsenergie durch Ausfiltern oder Absorbieren weggenommen (subtrahiert) wird. Genau das passiert bei den Körperfarben. Wenn sie sich mischen, wirken die einzelnen Körperfarben wie Filter und absorbieren bestimmte Teile des Lichts.
Das Ergebnis: Je mehr Körperfarben sich mischen, desto dunkler wird das Ergebnis der Mischung, denn mit jeder neuen Körperfarbe wird Licht abgezogen. Schiebt man zum Beispiel vor eine weiße Lichtquelle Blau und Gelb, so entsteht Grün.
Die Farben der Gegenstände
Die Gegenstände unserer Welt erhalten also ihre Farbe, indem sie verschiedene Strahlen verschlucken und andere reflektieren. Wasser zum Beispiel absorbiert langwelliges Licht viel besser als kurzwelliges. Der Rotanteil des Sonnenlichts wird deshalb bereits nach wenigen Metern unter Wasser geschluckt.
Geht es noch tiefer, verschwinden nacheinander die orangefarbenen, gelben und grünen Anteile. Das blaue Licht dagegen wird am wenigsten geschluckt und am stärksten reflektiert, also zur Oberfläche zurückgeworfen. Darum sind unsere Meere blau.
Das üppige Farbspektrum der Natur ist also nichts anderes als unterschiedlich aufgenommene und reflektierte Bestandteile unseres Sonnenlichts. Wenn wir Farbe sehen, sehen wir im Grunde genommen farbiges Licht, das vorher den Umweg über die Oberfläche eines Gegenstandes genommen hat.
Farbsehen im Auge
Auf dem Prinzip der Mischung von Farben beruht auch das Farbsehen unseres Auges. Das ist ähnlich aufgebaut wie eine Digitalkamera. Das einfallende Licht wird von der Linse fokussiert und fällt gebündelt auf die Netzhaut. Die Iris regelt dabei je nach Helligkeit wie eine Blende die Menge des Lichts.
Die Netzhaut hat Sensoren, die für unterschiedliches Licht sensibilisiert sind. Sie teilen sich in zwei Arten von Rezeptoren, die das Licht aufnehmen. Über eine chemische Reaktion erzeugen sie Impulse, die an das Farbzentrum des Gehirns weitergeleitet werden.
Das Auge empfängt Licht
Helligkeit und Farbe
Die eine Rezeptorenart nennt man Stäbchen: Sie reagieren auf alle Farben etwa gleich und erfassen so unfarbige Helligkeitseindrücke. Würden wir nur mit ihnen sehen, erschiene uns die Welt schwarzweiß.
Die andere Rezeptorenart ist für unser Farbsehen zuständig. Sie nennt man Zapfen. Von diesen gibt es drei verschiedene Arten, die für unterschiedliche Farbbereiche empfindlich sind, für Rot, Blau und Grün. Im Gehirn werden dann die drei Farbbereiche sowie die entsprechenden Helligkeitseindrücke zusammengeführt – wir sehen bunt.
Solange es heller Tag ist, arbeiten Zapfen und Stäbchen zusammen. Mit abnehmenden Licht und Beginn der Dämmerung übernehmen immer mehr die Stäbchen das Sehen. Im Dunkel der Nacht sind dann allein die Stäbchen aktiv.
Farbfehler
Zu Farbfehlsichtigkeiten kommt es, wenn eine Zapfenart defekt ist. Bekannt ist zum Beispiel die Rot-Grün-Schwäche, bei der die betroffenen Personen Rot und Grün nicht auseinanderhalten können.
Nicht nur im Straßenverkehr mit Ampeln kann das zu Schwierigkeiten führen. Wenn alle Zapfenarten defekt sind, nennt man das Farbenblindheit. Statistisch leiden mehr Männer als Frauen unter diesen Defekten.
Wer hier eine Zahl lesen kann, hat vermutlich keine Rot-Grün-Schwäche
Auge und Gehirn – ein gutes Team
Farbe ist also nicht einfach da. Sie entsteht nur in dem Moment des Sehens. Unsere Wahrnehmung der Farbe besteht aus der Zusammenarbeit zwischen Augen und Gehirn. Unser Gehirn empfängt und verarbeitet die Licht- und Helligkeitsimpulse nach einem speziellen Ordnungssystem, besser als jeder Computer der Welt.
Jeder Moment unseres Sehens wird ununterbrochen neu verarbeitet und interpretiert. So können wir Farbe wahrnehmen. Das System der Wahrnehmung ist so kompliziert, dass es bis heute niemand genau erklären kann.
(Erstveröffentlichung 2009. Letzte Aktualisierung 10.12.2020)
Quelle: WDR