"Der Mückenatlas" – Bürger helfen Forschern
2007 wurde in Süddeutschland die erste Asiatische Tigermücke entdeckt, ein Jahr später auch Exemplare der Japanischen Buschmücke. Ein Alarmzeichen für Mückenexperten. Denn exotische Mücken könnten auch bei uns Erreger von gefährlichen Tropenkrankheiten übertragen.
Mit dem Auftauchen der ersten tropischen Stechmücken in Süddeutschland stellten sich die Fragen: Welche Mückenarten wandern zu? Können sie sich hier dauerhaft ansiedeln? Und: Übertragen sie eventuell auch bei uns gefährliche Krankheitserreger?
Etliche Forschende gehen seitdem auf Mückenjagd und betreiben ein bundesweites Monitoring: Sie erstellen Verbreitungskarten für Mücken in Deutschland. Der Aufwand ist enorm, von den Wissenschaftlern alleine kaum zu bewältigen.
Und so starteten Dr. Doreen Walther vom Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung in Müncheberg und Helge Kampen vom Friedrich-Loeffler-Institut, dem Bundesforschungsinstitut für Tiergesundheit in Greifswald, 2012 das Projekt "Mückenatlas".
Über eine Internetseite können Menschen aus ganz Deutschland eingefangene Mücken nach Brandenburg schicken, die dort bestimmt werden. Ihr Fundort wird dann in einem Mückenatlas notiert.
Mücken mit gefährlicher Fracht
Viele tausend Mücken haben die Forschenden schon bekommen, deren Art bestimmt und interessante Exemplare zur weiteren Untersuchung an das Friedrich-Loeffler-Institut weitergeleitet. Dort wird geprüft, welche Stechmücken welche Viren enthalten und eventuell weiterverbreiten können.
Ähnliche Untersuchungen betreiben auch die Mitarbeiter der "Kommunalen Aktionsgemeinschaft zur Bekämpfung der Schnakenplage", kurz KABS. Sie arbeiten mit Virologen am Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin in Hamburg zusammen.
Mittlerweile steht fest: Sogar einheimische Mückenarten können tropische Krankheitserreger übertragen, wenn sie sich zum Beispiel beim Stechen von Zugvögeln mit solchen Viren infizieren.
Usutu, Batai, Sindbis und Co – exotische Viren tauchen auf
2006 war die Öffentlichkeit das erste Mal alarmiert, als Tausende Rinder und Schafe in Deutschland an der afrikanischen Blauzungenkrankheit starben. Einheimische Gnitzen, eine besonders kleine Mückenart, hatten die Viren übertragen.
Danach kam es in Süddeutschland zu einem geheimnisvollen Vogelsterben. Betroffen waren hauptsächlich Amseln. Am Bernhard-Nocht-Institut entdeckte man Usutu-Viren als Ursache, ebenfalls übertragen von einheimischen Stechmücken.
Die Vorfälle zeigen, dass auch bei uns durchaus seltene Krankheitserreger durch Stechmücken übertragen werden können. Oft erkennen Betroffene solche Infektionen nicht, weil sie nur zu leichten, grippeähnlichen Symptomen führen.
Japanische Buschmücken siedeln sich an
Bedenklicher wäre es, wenn Reisende mit Tropenkrankheiten zurückkehren und hier von tropischen Mücken gestochen werden. Die könnten dann beim Stich die gefährlichen Viren aufnehmen, vermehren und weiterverbreiten. Müssen wir uns demnächst auch in Deutschland mit Tropenkrankheiten auseinandersetzen?
2007 tauchten in Süddeutschland die ersten Asiatischen Tigermücken auf. Und 2008 dann auch Japanische Buschmücken. Vor allem letztere scheinen sich mittlerweile hier bei uns anzusiedeln.
Asiatische Tigermücken im Anflug
Ergebnisse aus dem Projekt "Mückenatlas" und Untersuchungen von Biologen der KABS im Süden Deutschlands zeigen, dass Japanische Buschmücken mittlerweile in fast allen Bundesländern vorkommen.Sie sind also quasi heimisch geworden, und damit steigt auch das Risiko für seltene Viruserkrankungen.
Wesentlich gefährlicher sind allerdings die Asiatischen Tigermücken. Auf LKW, beispielsweise in alten Autoreifen, kommen sie oft über die Autobahnen aus südlichen Ländern zu uns.
Die KABS, leitet ein groß angelegtes Monitoring-Programm für Tigermücken. Seit 2005 stellt sie Mückenfallen an Raststätten der A5 und A6 auf, um einfallende Tigermücken aufzuspüren.
Dengue-, Chikungunya- und West-Nil-Fieber auch in Deutschland?
Asiatische Tigermücken können über 20 verschiedene Virusarten übertragen. Darunter das gefürchtete Dengue-Fieber, das Chikungunya-Fieber oder auch das West-Nil-Fieber.
In Italien kam es beispielsweise schon 2007 zu einer kleinen Chikungunya-Epidemie mit über 200 Infizierten. Ein Urlauber hatte das Virus aus Indien mitgebracht, wurde von in Italien bereits angesiedelten Asiatischen Tigermücken gestochen, die das Virus aufnahmen und dann weiter verbreiteten.
In Deutschland gelten Japanische Buschmücken bereits als etabliert. Sie könnten Viren verbreiten, die das West-Nil-Fieber verursachen. Dies ist nicht mehr sehr unwahrscheinlich, in Europa wurden 2015 aus etlichen Ländern bereits Krankheitsfälle gemeldet. Darunter auch aus Italien.
Wie bedrohlich ist das Zika-Virus?
Ein Virus, das in Deutschland bisher noch nicht verbreitet ist, Wissenschaftlern und Medizinern aber dennoch ernsthafte Sorgen bereitet, ist das Zika-Virus. Nach Angaben des Auswärtigen Amts hat sich dieser Krankheitserreger bisher vor allem in Mittel- und Südamerika ausgebreitet. Auch im tropischen Afrika, Asien und den Inseln des Pazifischen Ozeans gab es bereits Zikavirus-Infektionen.
Zwar löst das Virus, das meist von Mücken übertragen wird, bei Erwachsenen lediglich leichte Symptome aus: Hautausschlag etwa, Kopf-, Gelenk- und Muskelschmerzen und manchmal Fieber aus. Bei Kindern im Mutterleib allerdings kann es Hirnfehlbildungen verursachen.
In Brasilien wurden etliche Babys mit Mikrozephalie geboren, deren Mütter zuvor eine Zika-Infektion durchgemacht hatten. Als Überträger vermuten Wissenschaftler die Mückengattung Aedes, die in allen tropischen und einigen subtropischen Gebieten der Welt verbreitet ist.
Zu ihr gehört auch die Asiatische Tigermücke, die bereits vereinzelt in Süddeutschland beobachtet wurde. In einigen Fällen, darunter einer in Deutschland, ist das Virus von Männern auch auf sexuellem Weg übertragen worden, meldet das Robert Koch Institut (RKI).
Einen Impfstoff gegen Zikaviren gibt es nicht. Brasilienreisenden rät das RKI dringend, sich rund um die Uhr wirksam vor Mückenstichen zu schützen. Brasilienrückkehrer sollten beim Geschlechtsverkehr mit Schwangeren Kondome benutzen, Frauen sollten mit einer neuen Schwangerschaft mindestens acht Wochen nach Rückkehr aus einem Ausbruchsgebiet warten.
(Erstveröffentlichung 2016, letzte Aktualisierung 30.09.2019)