Wichtig fürs Ökosystem
Die Vielfalt im Spinnenreich ist riesig: von millimeterklein bis zu fünfzehn Zentimeter lang, von tiefschwarz bis knallbunt, von harmlos bis sehr giftig. Manche bauen sich ein Netz, um Beute zu fangen, andere lauern ihrem Opfer lieber auf und packen es mit den Klauen, wieder andere laufen ihm hinterher.
Auf Bäumen und Wiesen, in Erdhöhlen, zwischen Felswänden, im Wüstensand, im Süßwasser – es gibt kaum einen Lebensraum, den die Spinne nicht für sich erobert hat.
"Spinnen sind sehr wichtig fürs Ökosystem", sagt Thomas Lübcke. Der Biologe leitet im Senckenberg Museum für Naturkunde in Görlitz das Vivarium. "Spinnen bilden einen großen Anteil der Bodentiere, sie wirken regulierend auf die Bodengemeinschaft."
Spinnen heißen korrekt Webspinnen (Aranee) und gehören zu den Spinnentieren – wie Weberknechte, Skorpione, Pseudoskorpione und Milben, inklusive Zecken. Sie sind unterteilt in Gliederspinnen (Mesothelae), Vogelspinnenartige (Mygalomorphae) und Echte Webspinnen (Araneomorphae).
Hohe Kunst des Netzbaus
Die meisten Spinnen haben vier Augenpaare, doch ihr Supersinn ist das Tasten. Sie besitzen sogenannte Becherhaare an den Beinen. Damit spüren sie nicht nur ihre unmittelbare Umgebung und eventuelle Hindernisse, sondern auch feinste Luftbewegungen und Schallwellen.
Dieser Mechanismus ist so akkurat eingestellt, dass sie sogar die Entfernung und Richtung orten können, aus der ein Angreifer sich nähert – oder ein Opfer.
Zusätzlich befinden sich an den Beinen die Spaltsinnesorgane, mit denen die Spinne Vibrationen wahrnimmt. Landet Beute im Netz, merkt sie die Veränderungen über die Fäden und macht sich auf den Weg zum Festmahl.
Und damit nicht genug, es gibt noch einen weiteren Spezialeffekt: Viele Spinnen riechen mit Geruchshaaren, die sich ebenfalls an den Beinen befinden. Das Ganze funktioniert über chemotaktile Reize und wird von den Tieren unter anderem auf der Partnersuche eingesetzt.
Bekannt ist die Spinne vor allem für ihren kunstvollen Netzbau.
Die Spinnennetze variieren je nach Art:
- Es gibt die Raumnetze, die beim Hausputz stören, weil sie in den Ecken hängen.
- Wie es der Name schon vermuten lässt, sind die Trichternetze und Fangschläuche sehr engmaschig zu Trichtern und Schläuchen gesponnen.
- Die Baldachinnetze spannen sich wie kleine Pavillons über Grashalme.
- Und die großen, symmetrisch gearbeiteten Radnetze hängen in Gärten, Hecken und Wäldern.
Ein solches Radnetz ist gut durchdacht und an den Alltag der Spinne angepasst. Im Fangnetz wohnt die Spinne und versteckt sich auch dort, bis die Beute kommt.
Das Netz verfügt über viele Hilfsfäden, die unterschiedliche Funktionen haben: als Spannhilfe, Stolperfalle, Signal oder Kommunikationsmittel.
Der Bau eines Netzes folgt einem Plan: Die Spinne spannt zunächst Hilfs- und stabilisierende Fäden, ehe sie ans Feintuning geht. "Das ist ein sehr komplexer Vorgang und eine echte Leistung für ein vergleichsweise einfach gebautes Lebewesen wie die Spinne", sagt der Biologe Thomas Lübcke.
Wachstum per Häutung
Acht Beine unfallfrei zu koordinieren ist ein weiteres Kunststück, das der Spinne gelingt. Sie kann jedes Bein einzeln bewegen, unabhängig von den anderen.
Das kann man mitunter beobachten, wenn eine Spinne in der Sonne sitzt und scheinbar nur sieben Beine hat – eines hat sie unter den Körper abgeknickt.
"Das Laufen erfolgt nach einer bestimmten Choreographie: das 1. und 3. Bein auf der einen Seite werden gleichzeitig mit dem 2. and 4. auf der anderen bewegt, immer abwechselnd", sagt Thomas Lübcke.
Verliert die Spinne mal ein Bein, ist das nicht dramatisch. Sie kommt auch mit weniger zurecht. "Problematisch wird es erst, wenn nur noch die Hinterbeine übrig sind, damit gestaltet sich das Laufen schwierig", sagt Lübcke.
Wenn die Spinne Glück im Unglück hat, findet der Beinverlust im jungen Alter statt. Dann wächst das Bein nach und wird bei der nächsten Häutung freigegeben. Spinnen haben ein festes Außenskelett, das ihnen nur ein begrenztes Wachstum ermöglicht. Sie wachsen deshalb per Häutung.
Jedes Mal, wenn sie ihren Panzer vollständig abwerfen, sind sie etwa ein Fünftel größer als zuvor.
Spinnengifte gegen Krebs?
Obwohl es so viele Spinnenarten gibt, weiß die Forschung noch vergleichsweise wenig über diese Tiere. Ständig werden neue Arten entdeckt, deren Lebensweise untersucht wird. "Springspinnen zum Beispiel haben sehr spannende Kommunikationsrituale", sagt Thomas Lübcke.
Wie intelligent sind Spinnen? Welche Rolle spielt ihr Sozialverhalten? Und wie wirkt sich ihr Vorhandensein oder Nichtvorhandensein auf Nahrungsketten aus? Es gibt unzählige Fragen, die Wissenschaftler noch beantworten wollen.
Zu den spannenden Themen zählt auch das Gift der Gliederfüßer. Um ihre Beute zu betäuben oder zu töten, spritzt die Spinne geringe Dosen eines hoch wirksamen Giftes über die Beißklauen direkt in den Körper. Für Menschen ist das nur selten und bei wenigen Arten gefährlich.
Die Pharmaindustrie interessiert sich sehr für diese Zellgifte. "In der Onkologie ist man darauf aus, möglichst effektive und gleichzeitig Gewebe schonende Stoffe zur Tumorbekämpfung zu isolieren – so etwas hofft man bei den Spinnen zu finden", sagt Lübcke.
(Erstveröffentlichung 2016. Letzte Aktualisierung 22.07.2019)