Tabuthema Samenspende
Von Samenspende wird meist nur hinter vorgehaltener Hand gesprochen. Ein klassisches Tabuthema. Unfruchtbarkeit wird bei Männern häufig mit Unmännlichkeit und Impotenz assoziiert, sagt Dr. Ulrich Göhring, Leiter des Kinderwunschzentrums Tübingen. Jedes siebte Paar in Deutschland ist ungewollt kinderlos. Die Hälfte von ihnen, weil der Mann keine zeugungsfähigen Spermien hat.
Für solche Fälle gibt es die Möglichkeit, Samen von einem Spender zu verwenden. Die Therapie mit Spendersamen findet in der Regel im Körper der Frau statt. Vorausgesetzt, bei der Frau liegen keine körperlichen Probleme vor, wie beispielsweise verklebte Eierstöcke. Der Grund für eine Samenspende muss aber nicht nur die männliche Unfruchtbarkeit sein.
Andere Formen der künstlichen Befruchtung wie IVF (In-vitro-Fertilisation) oder ICSI (Intra Cytoplasmatische Spermien Injektion) sind vielleicht zu belastend oder zu teuer, vielleicht blieben diese aber auch erfolglos.
Andere Gründe können Erbkrankheiten im männlichen Erbgut sein oder schwere Infektionen, wie HIV. In seltenen Fällen liegt auch eine Rhesusfaktor-Inkompatibilität vor, die eine Befruchtung mit Spendersperma nötig macht.
Persönliche Gründe, eine Samenspende anderen Behandlungen vorzuziehen, haben zum Beispiel lesbische Frauen und Singles.
Woher kommt der Samen?
Es gibt mehrere Möglichkeiten, einen Samenspender zu finden. Da gibt es zunächst die privaten Samenspender. Das können Freunde und Bekannte sein oder auch anonyme Spender, die über das Internet ihre Dienste anbieten. Eine weitere Möglichkeit sind die Samenbanken.
Die Samenbanken vermitteln befruchtungsfähiges Sperma an Paare mit unerfülltem Kinderwunsch. Die Samenbanken sind nicht nur auf die Konservierung und Lagerung von männlichen Samenzellen spezialisiert. Sie haben die Pflicht, auf die Qualifizierung der Spermaspender zu achten. Das sind gesundheitliche Kontrollen, aber auch die Kontrolle der Spermienqualität.
Da sich die Anzahl der Spermien durch den Prozess des Sperma-Testens, -Aufbereitens, -Einfrierens und -Auftauens verringern kann, achten die Samenbanken auf Spendersperma mit überdurchschnittlich vielen Spermien. Chronische Erkrankungen und Erbkrankheiten dürfen in der Herkunftsfamilie des Spenders nicht bekannt sein. Je nach Samenbank gibt es weitere Kriterien, wie das Erscheinungsbild, den Beruf oder die Ausbildung.
Die Rechte rund um die donogene Insemination, wie man die Samenspende auch nennt, sind in Deutschland im Embryonenschutz- und Samenspenderregistergesetz verankert. Dazu kommen die Richtlinien der Bundesärztekammer.
Kinderwunschpaare müssen vor der Spende einen Vertrag mit der Samenbank abschließen. Die Richtlinien der Bundesärztekammer geben dabei vor, dass nur Paare Zugang zu einer Samenbank haben. Dabei unterscheiden sie nicht zwischen verheirateten und unverheirateten Paaren. Die Mutter kann nach § 1594 Abs. 4 BGB die Vaterschaft eines mit ihr verbundenen Mannes bereits vor der Geburt verbindlich anerkennen lassen, wozu sie sich im Vertrag auch verpflichtet.
Dieses Verfahren kann auch von gleichgeschlechtlichen Paaren genutzt werden. Dafür müssen lesbische Paare verheiratet sein und den Behandlungsvertrag gemeinsam unterschreiben, in dem sie sich unter anderem dazu verpflichten nach der Geburt das gemeinsame Kind zu adoptieren.
Dies ist wichtig, damit die Co-Mutter auch vor dem Gesetz zur Mutter des Kindes wird und der Samenspender keine rechtliche Ansprüche und Pflichten hat. Der Lebenspartner oder Ehemann der Frau willigt in die Vaterschaft ein und gilt somit vor dem Gesetz als der Vater des Kindes – damit gelten auch die Unterhaltspflicht und das Erbrecht.
Wie der Samen zur Eizelle gelangt
Die Befruchtung mit Spendersamen ist unkompliziert und kann in einer Klinik (von einem Arzt) oder privat erfolgen. In einer Klinik wird der Zyklus der Frau überwacht oder hormonell ausgelöst. Das tiefgefrorene Spendersperma wird aufgetaut und kontrolliert. Nur die besonders beweglichen Spermien werden in den Uterus der Frau mittels Katheter eingeführt. Das Verfahren wird nicht von den Krankenkassen bezahlt.
Bei privaten Samenspenden haben alle Beteiligten die Wahl zwischen dem Geschlechtsakt und mechanischen Hilfsmitteln zu Befruchtung. Der Mann ejakuliert dann in einen Becher oder direkt in eine Spritze, die sich die Frau dann selbst einführt und mit der sie das Sperma in ihre Scheide spritzt.
Samenspender unbekannt?
Der österreichische Biologe Berthold Wiesner gilt als Pionier der Samenspende. Er betrieb eine Fruchtbarkeitsklinik in London. In Ermangelung an geeigneten Spendern spendete er den Großteil der Samen selbst. Mit geschätzt 600 Kindern, die so entstanden, war er der wahrscheinlich kinderreichste Mann aller Zeiten.
Seit den 1970er Jahren ist die Samenspende in Deutschland eine legale Form der künstlichen Befruchtung. Zum Schutz vor HIV entstanden in den 1980er Jahren die ersten Samenbanken, die das Spendersperma einer strengen medizinischen Kontrolle unterziehen.
Heute sind es häufig Studenten, die ihren Samen spenden. Viele Samenspender wollen Paaren mit unerfülltem Kinderwunsch helfen, ein Kind zu bekommen. Andere spenden aufgrund der Entschädigung, die gezahlt wird.
Durch die Einrichtung eines zentralen Samenspenderregisters, können Spenderkinder auf Wunsch Auskunft über den Spender einholen. Der Spender ist zwar laut Vertrag vor allen Ansprüchen der Wunscheltern geschützt, dies gilt jedoch nicht für die so entstandenen Kinder.
Das Problem mit der Anonymität
2013 fällte das Oberlandesgericht Hamm ein Urteil, das gravierende Folgen für die Samenspende in Deutschland hat. Sarah Pienkoss, selbst anonym gezeugtes Spenderkind, verklagte die Klinik, in der sie gezeugt wurde.
Sarah klagte auf Auskunft über die Identität ihres genetischen Vaters. Die Klinik behauptete zunächst, keine Unterlagen mehr zur Samenspende zu haben. Doch genau diese hatte ein Arzt zuvor einem Journalisten der ZEIT gezeigt. Sarah P. war sich daher sicher, dass die Unterlagen noch da existieren mussten.
Denn der Vertrag, den die Klinik damals mit ihren Eltern geschlossen hatte, sollte nicht mehr für sie gelten. Sarah gewann und das Gericht entschied, dass das Recht des Kindes auf Kenntnis der eigenen Herkunft mehr wiegt als das Recht des Spenders auf Anonymität.
Mit diesem Urteil haben nun alle Spenderkinder das Recht zu erfahren, wer ihr leiblicher Vater ist. Doch damit treten auch Probleme auf: Die Fragen nach dem Erb- und Unterhaltsrecht sind noch nicht geklärt. Diese unklare Lage schreckt viele Spender ab.
Die Spenderbereitschaft ist um rund 30 Prozent zurückgegangen, schätzt Ulrich Göhring von der Kinderwunschpraxis Tübingen. Über diese Entwicklung ist er sehr besorgt. Die donogene Insemination ist durch den Gesetzgeber nicht beziehungsweise nur sehr schlecht geregelt. Es ist im Sinne aller Beteiligten, dass hierbei schnell eine Lösung gefunden wird.
Aufgrund der jahrelangen unklaren Rechtslage wurde 2017 das "Samenspenderregistergesetz" (SaRegG) verabschiedet. Seit 2018 ist es in Kraft.