Epigenetik

Von Franziska Badenschier (WDR)

Die Gene selbst steuern

Zwillingspaar

"Wir sollten keinesfalls unterschätzen, was eine dauerhafte Änderung des Lebensstils aus unserem zweiten Code herausholen kann", schreibt der Biologe und Buchautor Peter Spork in "Epigenetik – oder: Wie wir unser Erbgut steuern können". Hier ein paar Tipps.

"Wir sollten keinesfalls unterschätzen, was eine dauerhafte Änderung des Lebensstils aus unserem zweiten Code herausholen kann", schreibt der Biologe und Buchautor Peter Spork in "Epigenetik – oder: Wie wir unser Erbgut steuern können". Hier ein paar Tipps.

Grüner Tee soll besonders gut für unsere Gene sein: In Tierversuchen hat das Getränk verhindert, dass Tumore wachsen. Der Inhaltsstoff Epigallocatechin-3-Gallat (EGCG) reaktivierte Gene in Krebszellen, die stummgeschaltet sind und deswegen die Krebszellen zu einem Tumor wuchern ließen. Dieses nützliche Gen ist vor allem bei älteren Menschen ausgeschaltet. Regelmäßig grünen Tee zu trinken, soll deswegen wie eine Verjüngungskur sein.

Eine Geburt ist anstrengend, keine Frage, doch auch nach der Entbindung können Mutter und Vater überfordert sein. Mangelnde Zuneigung kann den Stresshormon-Spiegel beim Kind steigern und so die Fähigkeit, angemessen auf Stress zu reagieren, dauerhaft schädigen. Deswegen sollten frischgebackene Eltern sich von den Verwandten oder Freunden unterstützen lassen. Selbst wenn einem jemand nur den Einkauf oder das Wäschewaschen abnimmt, senkt das den Stresspegel.

Das System der Stressreaktion im Hirn des Kindes kann auch bereits im Mutterleib epigenetisch umprogrammiert werden, und zwar, wenn die Frau während der Schwangerschaft dauerhaft gestresst oder verängstigt ist. Dann wird der Fötus über die Nabelschnur mit dem Stresshormon Cortisol überflutet. Das sorgt dafür, dass Stress regulierende Gene stummgeschaltet werden. Sie bleiben stumm, auch wenn der Stresshormon-Pegel längst wieder gefallen ist.

Alkoholmissbrauch in der Schwangerschaft ist dem Robert-Koch-Institut zufolge die häufigste Ursache angeborener geistiger Behinderung in Deutschland. Die schlimmste Form ist die fetale Alkoholembryopathie, auch Fetales Alkoholsyndrom (FAS) genannt. Die Schädigungen werden wohl auch epigenetisch verursacht. So belegt eine 2011 publizierte Studie mit neuronalen Stammzellen in Kulturschalen, dass Alkohol das Methylierungsmuster auf der DNA verändert und die Differenzierung der Zellen stört.

Vor Bisphenol A in Plastikflaschen und Kinderspielzeug wird schon seit Jahren gewarnt – weil die Chemikalie zum Beispiel Kinder frühreif und Männer unfruchtbar machen kann. Bisphenol A kann aber auch epigenetisch wirken: Es verhindert, dass das Erbgut methyliert wird und damit ungünstige Gene ausgeschaltet werden. Vor allem schwangere und stillende Frauen sowie Säuglinge sollten deswegen aus Glasflaschen trinken und nicht aus Plastikflaschen.

Folsäure (Folat, Vitamin B9) hilft Krebs zu vermeiden. Das Vitamin steht am Anfang einer Kette chemischer Reaktionen, die dafür sorgt, dass sich Methylgruppen an die DNS anlagern. Bei zu wenig Folsäure werden unerwünschte, etwa Krebs auslösende Gene nicht methyliert und somit nicht ausgeschaltet. 400 Mikrogramm Folsäure sollte der Mensch pro Tag zu sich nehmen, doch nur jeder fünfte Deutsche schafft das laut Bundesinstitut für Risikobewertung. Dabei liefert eine ausgewogene Ernährung genug B9.

Warum sind Asiaten seltener übergewichtig als Deutsche? Soja könnte ein Grund sein, denn es enthält Genistein. Dieser Stoff hat eine ähnliche Struktur wie das Weiblichkeitshormon Östrogen. Deswegen kann er an die Andockstellen für Östrogen binden. Das sorgt dafür, dass der Erbgut-Faden im Zellkern anders aufgewickelt wird – und das wirkt sich in diesem Fall auf den Stoffwechsel aus. Schwangere Mäuse, die bei einem Tierversuch Futter mit extra viel Genistein bekommen hatten, brachten besonders schlanke Babys zur Welt.

Pizza und Pommes sind viel leckerer als Bananen? Mag sein, doch gerade Jungen im Alter um die zehn Jahre sollten sich besonders gesund ernähren. In dieser Phase vor der Pubertät, wenn sie gerade ein, zwei Jahre nicht wachsen, reifen nämlich die männlichen Keimzellen – der epigenetische Code ist nun besonders empfänglich für Informationen aus der Umwelt. Die hier aufgestellten Schalter bleiben an der DNA und werden so an den Nachwuchs weitergegeben, ein erhöhtes Risiko für Diabetes und Herzinfarkt inklusive.

Abschließend noch ein Warnhinweis: Bitte keine übertriebenen Methylierungsdiäten starten! Folsäure, Genistein & Co können "böse" Gene stummschalten – vielleicht schalten sie aber auch "gute" Gene aus, Tumor-Unterdrückungsgene zum Beispiel. Schon eine abwechslungsreiche, ausgewogene Ernährung, mehr Sport und weniger Stress halten gesund.

Stand: 27.03.2020, 17:20 Uhr

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