Schon früh zeigt sich ihr Talent
Catherine Astrid Salome Freeman wird am 16. Februar 1973 in Mackay, Queensland, geboren. Wie viele Aboriginals wachsen sie und ihre vier Geschwister in ärmlichen Verhältnissen auf. Die Freemans haben kein Telefon und kein Auto. Der Vater ist Alkoholiker und verlässt die Familie, als Cathy fünf Jahre alt ist. Ihre Großmutter gehört zu den so genannten "Stolen Generations" der Aboriginals, die auf staatliche Anordnung in der Kindheit ihren Eltern weggenommen und in ein Heim gebracht wurden.
Dass Cathy Talent zum Laufen hat, zeigt sich schon früh. Mit acht Jahren bestreitet sie das erste Rennen über 80 Meter an ihrer Grundschule und gewinnt. "Das Laufen war für mich von Anfang an eine Möglichkeit, aus dem Chaos in meinem Leben zu fliehen", sagt sie später. Ihre Sportlehrerin fördert sie und meldet sie im selben Jahr zu Wettkämpfen in Queenslands Hauptstadt Brisbane an, wo die besten Grundschüler des Bundesstaates gegeneinander antreten.
Freemans Familie kann sich keine Ausrüstung für Cathy leisten, also schenkt ihr ihre Lehrerin Trikot und Laufschuhe. Auch bei den nächsten Rennen heißt die Siegerin Cathy Freeman. Trainer, Lehrer und Beobachter sind sich einig: Hier könnte sich eine große Karriere anbahnen. Besonders Cathys Stiefvater glaubt an ihr Talent und investiert viel Zeit und Geld, um sie zu fördern.
Erste internationale Erfolge
Mit 13 Jahren erhält Freeman aufgrund ihrer herausragenden sportlichen Leistungen ein Stipendium am Fairholme Girls College in Toowoomba, einer strengen, christlich geprägten Mädchenschule. Die schüchterne Cathy feiert weiter sportliche Erfolge im Sprint und Hochsprung, macht aber auch negative Erfahrungen.
Sie ist eine von drei Nicht-Weißen unter 600 Schülerinnen und erfährt Diskriminierungen und Ablehnung, teilweise sogar von den Lehrern. Mit 16 Jahren wechselt sie als Stipendiatin auf die renommierte Kooralbyn International School in Brisbane. Um Cathy nahe zu sein, zieht der Rest der Freeman-Familie von Mackay ebenfalls in die knapp 1000 Kilometer entfernte Hauptstadt des Bundesstaates.
1990 macht sie erstmals landesweit auf sich aufmerksam: Sie gewinnt die australischen Meisterschaften über 200 Meter und wird Zweite über 100 Meter. Die 16-Jährige wird in den Kader des australischen Teams für die Commonwealth Games berufen und holt dort mit der 4x100-Meter-Staffel ihren ersten internationalen Titel.
Nach dem Rennen bekennt sie in Interviews: "Dass ich eine Aborigine bin, bedeutet alles für mich. Ich fühle die ganze Zeit für mein Volk. Viele meiner Freunde haben genauso viel Talent, aber sie bekommen keine Möglichkeit, es zu zeigen."
Diskussionen nach der Ehrenrunde
1992 in Barcelona nimmt Freeman als erste Aboriginal-Frau überhaupt an Olympischen Spielen teil, scheitert aber im Vorlauf über 400 Meter. Zwei Jahre später tritt sie bei den Commonwealth Games im kanadischen Victoria an. Nach ihrem Sieg über 400 Meter dreht sie eine Ehrenrunde und hält dabei die rot-schwarz-gelbe Flagge der Aboriginals hoch. Die Geste löst weitreichende Diskussionen aus, selbst das australische Parlament beschäftigt sich damit.
Der Teamchef Australiens untersagt ihr, diese inoffizielle Flagge noch einmal zu zeigen, doch Freeman ignoriert ihn. Nachdem sie den 200-Meter-Lauf gewinnt, jubelt sie abermals mit der rot-schwarz-gelben Flagge in der Hand. Freeman wird dadurch zur Symbolfigur.
Immer wieder betont sie den Stolz auf ihre Herkunft, sie lässt sich die Worte "Cos I'm Free" ("Weil ich frei bin") auf die rechte Schulter tätowieren und wird nicht nur für Aboriginals zum Vorbild, sondern auch für viele weiße Australier, die den Umgang mit den Ureinwohnern verbessern wollen.
Olympia 2000: das Gesicht der Spiele
Auch sportlich sorgt Freeman weiter für Schlagzeilen. 1996 holt sie in Atlanta ihre erste olympische Medaille, als sie Silber über 400 Meter gewinnt. 1997 und 1999 wird sie Weltmeisterin in ihrer Paradedisziplin und geht als Favoritin in die Olympiasaison 2000.
Die Millenniums-Spiele in Sydney stehen ganz im Zeichen von Cathy Freeman. Ihr kommt die Ehre zuteil, das olympische Feuer im Rahmen der Eröffnungszeremonie zu entzünden. Spätestens zu diesem Zeitpunkt wird aus der nationalen Ikone eine weltweite Symbolfigur.
Am 25. September 2000 hält dann ein ganzer Kontinent den Atem an. Die Hoffnungen und Erwartungen sind riesig, als sich Freeman im grünen Ganzkörperanzug und mit rot-schwarz-gelben Schuhen am Startblock niederkniet. 49,11 Sekunden später stürzt sich eine Nation in kollektiven Jubel: Freeman hat das 400-Meter-Rennen gewonnen.
Minutenlang sitzt sie nach dem Rennen auf der Laufbahn und scheint ihren Sieg nicht fassen zu können. Dann macht sie sich zur Ehrenrunde auf. Diesmal hat sie zwei Flaggen dabei: Neben der australischen trägt sie abermals die bei Olympia verbotene, da inoffizielle Flagge der Aboriginals. Ein Bild, das um die Welt geht.
Sydney ist der sportliche Höhepunkt für Freeman, die drei Jahre später ihre Laufbahn beendet. Doch sie genießt auch weiterhin hohes Ansehen. Freeman gilt als eine der bekanntesten und beliebtesten Australierinnen überhaupt und setzt sich nach ihrer sportlichen Karriere noch mehr für die Belange ihres Volkes ein.
Sie gründet eine Stiftung, die jungen Aboriginals bei ihrer Ausbildung helfen soll, unterstützt sozial Benachteiligte und nutzt ihre Prominenz und das weiter bestehende Interesse an ihrer Person, um den Problemen der Ureinwohner in Australien öffentlich Gehör zu verschaffen.
(Erstveröffentlichung 2009. Letzte Aktualisierung 16.12.2019)