Naturliebhaber und Romantiker
Caspar David Friedrich liebte die Natur. Er wanderte auf Rügen, in der Sächsischen Schweiz, an der Ostsee und am Elbestrand. Und er verehrte den deutschen Dichter und Naturforscher Johann Wolfgang von Goethe – aber eine Freundschaft mit Goethe scheiterte an einem künstlerischen Streit darüber, wie man Wolken malen sollte.
Während Goethe forderte, die unterschiedlichen Wolkenformen naturgetreu abzubilden, war Caspar David Friedrich überzeugt: Nur künstlerisch frei gestaltet kann ein Wolkenhimmel Stimmung und Gefühl hervorrufen.
Die Bilder von Caspar David Friedrich sind für viele Betrachter der Inbegriff der Romantik – einer Epoche, die etwa von 1795 bis 1850 dauerte. Typisch für die Romantik ist die Suche nach dem Magischen, dem Übernatürlichen und dem Wunderbaren. Denn zur damaligen Zeit setzten sich in vielen Lebensbereichen die Wissenschaft und die Technik stärker durch. Die Romantik reagierte als Gegenbewegung darauf: Sie betonte die Sehnsucht, die Gefühle, die Träume.
Friedrichs Gemälde passten perfekt dazu. Sie zeigen weite Landschaften und die freie Natur. In frühen Werken finden sich Bildsymbole wie der Anker, der für Sicherheit und Hoffnung stehen kann. In späteren Werken werden dagegen Düsternis und Friedhof zu wiederkehrenden Motiven – vor allem in den letzten Jahren vor seinem Tod, als Friedrich zwei Schlaganfälle mit Lähmungsfolgen erleidet.
In seinen letzten Lebensjahren wurden Friedrichs Gemälde deutlich düsterer
Eine große Familie mit Haus am Dom
Geboren wurde Caspar David Friedrich am 5. September 1774 in der Hansestadt Greifswald (heute Mecklenburg-Vorpommern) nahe des Doms St. Nicolai. Heute steht an seinem Geburtsort ein anderes Gebäude, darin ist das Caspar-David-Friedrich-Zentrum untergebracht.
Der junge Caspar David wuchs als sechstes von zehn Kindern in einer frommen evangelischen Familie auf. Sein Vater stellte Seifen und Kerzen her, auch für die Kirche. 1794 ging es für Caspar David zur künstlerischen Ausbildung an die berühmte "Königliche Akademie" ins dänische Kopenhagen und vier Jahre später nach Dresden, wo er dann die längste Zeit seines Lebens verbrachte.
1808 stellte der aufstrebende Künstler sein erstes Ölgemälde vor: "Kreuz im Gebirge", auch "Tetschener Altar" genannt. Es löste direkt einen Skandal aus: Denn obwohl es für einen Kirchenaltar gemalt war, zeigte es nicht Jesus, Maria oder Heilige, sondern nur ein Kreuz auf einem Berggipfel im Sonnenuntergang (oder Sonnenaufgang) – also hauptsächlich Natur und Landschaft.
"Kreuz im Gebirge"
Im Alter von 40 Jahren heiratete Caspar David Friedrich 1816 die knapp 20 Jahre jüngere Caroline Bommer und bekam mit ihr vier Kinder, von denen eins tot geboren wurde.
Überhaupt trat der Tod des Öfteren in Caspar Davids Leben: Erst verlor er früh seine Mutter, dann starb die kleine Schwester Elisabeth. Und als er 14 Jahre alt war, brach er ins Eis ein und wurde von seinem jüngeren Bruder Christoffer gerettet – doch dabei ertrank der Bruder selbst im eisigen Wasser.
Caspar David erlitt eine starke seelische Verletzung (Trauma) und hatte schwere Schuldgefühle. Vermutet wird auch, dass sein auffälliger Bart die Narben eines späteren Selbsttötungs-Versuchs verbergen sollte.
Der Mensch als kleine Rückenfigur
Viele Kunstkenner sind deshalb überzeugt: In seinen düsteren, oft traurig wirkenden Landschaftsbildern verarbeitete der Künstler Verlassenheitsängste und Ohnmachtsgefühle. Der Mensch ist oft klein dargestellt, die Welt dagegen scheint übermächtig groß.
Dafür benutzte Friedrich oft einen Trick: In vielen seiner Bilder sind im Vordergrund Menschen von hinten abgebildet, die so genannten Rückenfiguren. Dadurch fühlt sich der Betrachter in das Bild hineinversetzt – man sieht die Landschaft dann sozusagen durch die Augen der kleinen Figur, weil man in dieselbe Richtung schaut.
Rückenfiguren finden sich auch in vielen von Friedrichs berühmtesten Werken, zum Beispiel beim "Wanderer über dem Nebelmeer", und auch bei der "Frau vor der untergehenden Sonne". Insgesamt gibt es etwa 300 Ölbilder von Caspar David Friedrich. Wichtige Werke hängen in Museen in Dresden, Hamburg, Leipzig und Weimar.
Die "Frau vor der untergehenden Sonne" ist eine Rückenfigur
Lange vergessen, heute wieder aktuell
Caspar David Friedrichs Bilder sind sorgfältig gemalt, mit vielen Details und oft in mehreren Schichten übereinander. Und doch geben sie uns bis heute Rätsel auf. Was wollte Friedrich damit ausdrücken? Sehnsucht nach dem Tod? Eine tiefe Religiosität, und zwar vielleicht nicht nur im christlichen Sinn? Eine Verehrung der Natur?
Es gibt viele Interpretationen. Während der Zeit des Nationalsozialismus war Friedrich ein hoch angesehener Künstler, Adolf Hitler liebte seine Bilder. Nach Ansicht der Nationalsozialisten zeigten Friedrichs Bilder etwas "Ur-Deutsches", denn die Nazis idealisierten das ländliche Leben und sahen es als Gegengewicht zum Städtischen.
Friedrichs Bilder wie "Der Watzmann" oder "Der Wanderer über dem Nebelmeer" zeigen den Menschen aber auch als Teil eines größeren Ganzen. Für viele Umweltaktivisten wie die "Letzte Generation" sind sie deshalb heute ein Mahnmal und Aufruf dazu, die Natur zu schützen.
Auch das Bild "Das Eismeer" kann in diesem Sinne gesehen werden: Friedrich habe "ein Bild der Vernichtung" gemalt, "in dem die Hoffnung jedoch noch nicht ganz verloren gegangen ist", schreibt Markus Bertsch, Leiter der "Sammlung 19. Jahrhundert" in der Hamburger Kunsthalle.
"Das Eismeer" zeigt eine Klima-Extremsituation
Als Friedrich 1840 im Alter von 75 Jahren starb, hatte er es bereits zu Berühmtheit und Anerkennung gebracht. Sogar der russische Zar Nikolaus I. und der preußische König Friedrich III. hatten seine Gemälde gekauft.
Doch dann geriet er jahrzehntelang in Vergessenheit: Seine gefühlsbetonten, vereinfachten Landschaftsbilder passten nicht mehr zum Stil der Zeit. Jetzt wirkte Friedrichs Malstil wirklichkeitsfern und unmodern. Stattdessen kamen realistisch gemalte Landschaftsbilder und großformatige Historien-Bilder in Mode.
Im Jahr 1906 wurde der Maler dann auf der Berliner "Jahrhundertausstellung deutscher Kunst" wiederentdeckt. Die Ausstellungsmacher rückten die Romantiker und damit auch Caspar David Friedrich in den Mittelpunkt. Seitdem zählen seine romantischen "Seelen-Landschaften" zur großen europäischen Kunstgeschichte.
Caspar David Friedrich in seinem Atelier
(Erstveröffentlichung 2024. Letzte Aktualisierung 02.05.2024)
UNSERE QUELLEN
- Arte: "Caspar David Friedrich – Wanderer zwischen den Welten"
- Berchtesgaden: "Caspar David Friedrich und der Watzmann"
- Caspar-David-Friedrich-Zentrum in Greifswald
- FAZ: "Skizzenbuch von Caspar David Friedrich versteigert"
- FAZ: "Im Heiligtum der Natur"
- Hamburger Kunsthalle: "Caspar David Friedrich. Das Eismeer"
- Tagesspiegel: Das "romantische Kalkül": Interview mit Kunsthistoriker Werner Busch über Caspar David Friedrich
- Ausstellungskatalog: "Kunst für eine neue Zeit", Hatje Cantz Berlin 2024, Hamburger Kunsthalle
- Johannes Grave (Hrsg.): "Die Kunst als Mittelpunkt der Welt – Ausgewählte Schriften und Briefe", C.H. Beck, München 2023
- Werner Busch: "Caspar David Friedrich", C.H.Beck, München 2021
- Helmut Börsch-Supan und Karl Wilhelm Jähnig: "Caspar David Friedrich. Gemälde, Druckgrafik und bildmäßige Zeichnungen", München 1973
- Gerhard Eimer (Hrsg.): "Caspar David Friedrich, Äußerungen bei Betrachtung einer Sammlung von Gemählden von größtenteils noch lebenden und unlängst verstorbenen Künstlern" (Kritische Edition der Schriften des Künstlers und seiner Zeitzeugen, Bd.1), Frankfurt a.M. 1999
- Johannes Grave: "Caspar David Friedrich", München 2012/erweitert 2021
- Florian Illies: "Zauber der Stille – Caspar David Friedrichs Reise durch die Zeiten", Fischer, Frankfurt a.M. 2023
- Hermann Zschoche: "Caspar David Friedrich. Die Briefe", Hamburg 2006
Quelle: WDR