Einkaufsstraßen früher
Sie waren Zeichen des Wirtschaftswunders: Einkaufsstraßen mit Kaufhäusern und vielen Geschäften. Heute sind sie ein Auslaufmodell. Nicht erst seit den Corona-Lockdowns bestellen viele Menschen bequem im Internet und lassen sich die Ware nach Hause liefern.
Viele Kaufhäuser und Geschäfte mussten bereits schließen. Die Folge: Die Innenstädte veröden.
Um Leben zurück in die Innenstädte zu bringen, werben Architekten und Stadtplaner für Mischkonzepte. Ein Beispiel dafür ist das 140 Jahre alte Kaufhaus Breuninger in Stuttgart. Es behielt zwar die alte Fassade, erfand sich aber sonst neu – durch eine moderne Innengestaltung und einem Quartier dahinter, das Büro, Einzelhandel, Gastronomie und Wohnen verbindet.
Auch für das ehemalige Karstadt-Kaufhaus in Herne war eine gemischte Nutzung der großen Verkaufsfläche der Ausweg nach jahrelangem Leerstand. Heute teilen sich Büros, ein Fitnessstudio und Einzelhandel die Flächen.
Statt die alten Kaufhaus-Gebäude abzureißen und neu zu bauen, sollten ressourcenschonendere Lösungen gefunden werden, sagt die Architektur-Professorin Ulrike Mansfeld. "Es muss uns gelingen, Vorbilder zu schaffen. Dann werden andere folgen."
Ein solches Vorbild ist für sie das Karstadt-Kaufhaus in Berlin am Hermannplatz. Das soll nun nicht, wie anfangs diskutiert, abgerissen, sondern nach dem Entwurf eines Star-Architekten mit Holz aufgestockt werden.
Sichere Wege für Frauen und Mädchen
Schlecht beleuchtete Gehsteige, finstere Ecken, Unterführungen, Tunnel – viele Orte sind unsicher. Das ängstigt Frauen und Mädchen, die nachts alleine nach Hause gehen, wie eine Studie von Plan International im Jahr 2020 zeigte. Stadtplanung war traditionell Männersache, das spiegelt sich bis heute wider.
Dass es anders geht, zeigt ein Blick nach Österreich. In Wien bewies die Stadtplanerin Eva Kail, dass öffentliche Plätze und ganze Stadtviertel mit einfachen Mitteln sicherer werden können. Sie stieß Prozesse an, bei denen alle Bewohner mit einbezogen wurden.
Uneinsehbare Ecken und von Büschen eingerahmte Wege verschwanden. Stattdessen sorgte sie für gut beleuchtete Strecken, um Stadtviertel und Parks sicher zu durchqueren zu können.
"So wie unsere Städte heute geplant sind, entspricht es noch dem industriellen Zeitalter", sagt Prof. Ulrike Mansfeld. "Das ist nicht frauengerecht und entspricht oft auch nicht den Bedürfnissen anderer Bevölkerungsteile."
Alle Bewohner müssten einbezogen werden, um ein Viertel besser zu gestalten. Für Stadtplaner heißt das: Vor Ort genau hinsehen, die Bewohner befragen, die Bedürfnisse ernst nehmen und dann neue Entwürfe machen. Das Ziel: Eine Stadt für alle Menschen schaffen.
Innenstädte der Zukunft
Noch verstopfen Autokarawanen die City, Abgase und Lärm machen sie ungemütlich. Die Zukunft der Innenstädte sieht anders aus: Vorrang haben dann Fußgänger und Radfahrer. Straßen und Plätze sollen wieder zu dem werden, was sie einmal waren: Orte der Begegnung.
Neue Mobilitätskonzepte, wie sie zum Beispiel Karlsruhe erprobt, zeigen, dass das Auto zunehmend verzichtbar ist, wenn Alternativen leicht erreichbar sind. Eine App wurde dort entwickelt, die Bus, Bahn, Fahrrad und Leihwagen einschließt. Die jeweils beste Verbindung wird angezeigt und kann in Sekundenschnelle gebucht werden. Der erste Schritt, um aus der autogerechten eine menschengerechte Stadt zu machen.
In Bremen gibt es seit 2019 ein Stadtviertel, in dem Radfahrer Vorrang vor Autofahrern haben. Zahlreiche Umbauten waren dazu nötig. Das Bundesumweltministerium förderte das Projekt mit 2,4 Millionen Euro.
Das Quartier liegt in der alten Neustadt, mittendrin ist die Hochschule Bremen, deren Institut für Architektur das Vorhaben federführend initiiert und beantragt hatte. Rad-Parkplätze wurden eingerichtet, Kopfsteinpflaster bekamen glatte Beläge, Bordsteinkarten wurden abgesenkt, an unübersichtlichen Kreuzungen wurden Poller auf dem Gehsteig aufgestellt, die das Zuparken verhindern.
Ein Fahrrad-Repair-Café auf dem Hochschulgelände bietet außer täglichem Mittagstisch und Biergarten Reparaturen ohne Wartezeiten. Das klimaneutrale Gebäude hat Modellcharakter. Eine Konstruktion als Holzfaltwerk, mit transparenter Fassade, regenerativer Energieversorgung und einem Dach, auf dem Regenwasser mit Kühlungseffekt verdunstet. Es wurde mit dem "ICONIC AWARD 2020: Innovative Architecture" ausgezeichnet.
Begrünte Stadtzentren gegen den Klimawandel
Hitzewellen und Unwetterkatastrophen zeigen: Die Folgen des Klimawandels sind in Deutschland bereits zu spüren. Umso dringender ist die Umsetzung längst vorhandener Pläne zur Begrünung der Städte. "Wir müssen unsere Städte komplett neu denken", sagt Ulrike Mansfeld von der Hochschule Bremen. "Alles genau untersuchen – wo kommt besonders viel Sonne an? Wo fällt viel Regen hin? Und dann die Begrünung von Dächern und Fassaden zügig umsetzen."
Sie fordert überdies: "Städte müssen zu Schwämmen werden." Auch da gibt es bereits Techniken, zum Beispiel Retentionsdächer, die Wasser auf der Dachfläche zurückhalten.
Gepflasterte Plätze in Städten können im Sommer bis zu 60 Grad heiß werden, auch wenn es im benachbarten Park nicht mehr als 28 Grad hat. Bäume können Städte effektiv kühlen, aber wir brauchen mehr davon. Auch Springbrunnen und jede Art von Wasserspiel helfen bei der Abkühlung.
Wenn grauer Asphalt mit einem helleren Belag versehen wird, dann senkt das die Bodentemperatur um sieben Grad. Los Angeles erreichte mit dem Aufstreichen eines weißen Belags sogar eine Absenkung von neun Grad. Bei Neubauten gilt es außerdem darauf, zu achten, dass Windkorridore bleiben, die kühlende Luft in die Städte tragen.
Ein ganzes Maßnahmen-Paket wartet also auf seine Umsetzung. Der Wandel der Innenstädte ist eine Aufgabe, die uns lange beschäftigen wird. "Das sind große Herausforderungen", sagt Ulrike Mansfeld, "wir müssen alle daran mitarbeiten."
UNSERE QUELLEN
- Stadt Bremen: "Fahrradmodellquartier Alte Neustadt"
- Pressebox: "Preisgekrönte Nachhaltigkeit. 'ICONIC AWARD 2020: Innovative Architecture' für das Fahrrad-Repair-Café"
- Plan International: "Frauen erleben in ihren Städten Angst, Belästigung und Gewalt" (Studie)
- Zeit Online über die Wiener Stadtplanerin Eva Kail: "Wir müssen das Dorf zurück in die Stadt bringen"