Aufstellung der chilenischen Mannschaft 1973

Fußball-Weltmeisterschaft 1974

Qualifikationsspiel ohne Gegner

Das WM-Qualifikationsspiel zwischen Chile und der Sowjetunion dauerte 1973 nur wenige Sekunden. Die Sowjets waren nicht angetreten, weil die Chilenen das Stadion auch als Gefängnis und Folterstätte nutzten.

Von Johannes Eberhorn

In der Europa-Qualifikationsgruppe 9 hatte sich die Sowjetunion mit drei Siegen aus vier Spielen gegen Frankreich und Irland durchgesetzt. Doch bevor die Sowjets an der Endrunde der Fußball-Weltmeisterschaft 1974 in Deutschland teilnehmen durften, mussten sie noch zwei Entscheidungsspiele gegen Chile bestreiten, das in der Südamerika-Gruppe 3 seinen einzigen Gegner Peru ausgeschaltet hatte.

Das Hinspiel in Moskau endete torlos. Ende September 1973 sollte die entscheidende Partie im Nationalstadion von Santiago de Chile stattfinden. Dort war Fußball zu diesem Zeitpunkt jedoch nur Nebensache, da große politische Veränderungen den Alltag der Menschen bestimmten.

Am 11. September 1973 stürzte das chilenische Militär den sozialistischen Präsidenten Salvador Allende, der bei dem Putsch starb. General Augusto Pinochet, den Allende nur wenige Wochen zuvor zum Oberkommandierenden des Heeres ernannt hatte, übernahm die Führung des Staates und baute eine grausame Diktatur auf.

Bereits kurz nach dem Putsch ging Pinochet unerbittlich gegen vermeintliche Gegner des neuen Regimes vor. Zehntausende politische Gefangene wurden im Nationalstadion von Santiago interniert, gefoltert und zum Teil getötet.

Porträtfoto von Augusto Pinochet

General Augusto Pinochet ging äußerst brutal gegen seine Gegner vor

Die Sowjetunion weigerte sich, die entscheidende Partie um die WM-Teilnahme in einem Stadion zu bestreiten, das als Gefängnis und Folterstätte diente. Doch die Bitte um einen neutralen Austragungsort wurde von Chile abgelehnt.

Auch eine Delegation der FIFA sah nach einer Platzbesichtigung keinen Grund dafür, das Spiel zu verlegen: "Der Rasen befand sich in einem herrlichen Zustand… und alle Gefangenen befanden sich noch in den Umkleidekabinen", zitiert die "Fußball-WM Enzyklopädie 1930-2006" den FIFA-Bericht. Der Partie stand aus Funktionärssicht also nichts mehr im Wege.

Vor dem Spieltag wurden die Gefangenen aus dem Nationalstadion geschafft und in einem anderen Lager untergebracht, so dass der österreichische Schiedsrichter Linemayr am 21. November 1973 die Partie "Chile – UdSSR" anpfeifen konnte.

Da die Sowjets nicht angetreten waren, schob der chilenische Kapitän Valdéz den Ball zum 1:0 ins leere Tor. Es gab allerdings niemanden, der den Wiederanstoß ausführen konnte, und so pfiff Linemayr das wohl kürzeste Spiel seiner Karriere wieder ab.

Am Grünen Tisch wurde die UdSSR anschließend von der FIFA für ihre Konsequenz bestraft: Das Spiel wurde 2:0 für Chile gewertet, das damit zur WM fuhr. In Deutschland hatten die Chilenen jedoch nicht viel zu bestellen. Sie kamen durch zwei Unentschieden gegen die DDR und Australien sowie eine Niederlage gegen die BRD nicht über die Vorrunde hinaus.

Quelle: WDR

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