Schach als Symbol für spannende Szenen
Schach ist ein Denk- und Strategiespiel mit fast unendlich vielen Möglichkeiten für Spielzüge und Spielsituationen. Selbst Großmeister werden das Spiel nie perfekt beherrschen. Jedes Spiel ist spannend. Und es ist ein Duell: Spieler gegen Spieler. Der eine versucht den anderen zu schlagen, ihm Fallen zu stellen, ihn zu täuschen und zu überlisten.
Kein Wunder, dass viele Autoren und Filmemacher gern auf das Schachspiel zurückgreifen, um ihre Geschichten zu erzählen. Für Schach interessierten sich im Lauf der Jahrhunderte unter anderem schon die Schriftsteller Miguel de Cervantes, William Shakespeare, Jean-Jacques Rousseau, Gotthold Ephraim Lessing, Friedrich Schiller, Lew Tolstoi und Stefan Zweig.
In ihren Romanen, Briefen, Gedichten oder Lebenserinnerungen finden sich Anmerkungen über Schach oder längere Spielszenen. Das fesselnde Spiel mit seinen Vorstößen, Finten, Einkreisungen und Rückzügen eignet sich offenbar gut, um als dramaturgisches Mittel die Spannung zu steigern – ein Symbol, das sich auch in "Casablanca" wiederfindet, einem der berühmtesten Filme des 20. Jahrhunderts.
Cervantes betonte in seinem bekanntesten Werk "Don Quijote" den philosophischen Aspekt des Spiels: Er ließ den tragischen Ritter Don Quijote mit seinem Diener Sancho Panza darüber streiten, was man aus dem Schachspiel lernen könne. Der Diener erinnert seinen Herrn resigniert daran, dass genau wie im Leben am Spielende alle Figuren zusammen geworfen und in eine Schachtel gelegt werden.
Shakespeare, ein Zeitgenosse von Cervantes, benutzte in einigen Werken die Auseinandersetzung am Schachbrett als Stilmittel, um die Strategien seiner Helden zu umschreiben.
Schach als Zeitvertreib
Rousseau verzeichnete in seiner Autobiographie, dass er längere Zeit täglich Schach spielte, ein Meister werden wollte und deswegen sogar Lehrbücher auswendig lernte. Einziges Ergebnis war allerdings komplette Verwirrung. Über das Mittelmaß kam er nie hinaus – ebenso wie übrigens Voltaire, der noch dazu offenbar ein schlechter Verlierer war und sich am Schachbrett furchtbar aufregen konnte.
Von Lessing stammt ein berühmtes Wort über Schach: "Es ist für den Ernst zu viel Spiel und für das Spiel zu viel Ernst." Der Schriftsteller der deutschen Aufklärung übte sich leidenschaftlich gern im Schach und widmete ihm eine Szene in seinem Drama "Nathan der Weise" (1779), ein entschiedenes Plädoyer für Gedankenfreiheit, Humanität und religiöse Toleranz: Im mittelalterlichen Palästina spielt Sultan Saladin Schach mit seiner Schwester Sittah – eine Erinnerung daran, dass Schach ursprünglich aus dem Orient ins Abendland gekommen war.
"Tiefer Sinn liegt oft in manchem Spiel..." Diese Weisheit stammt von Friedrich Schiller. Von ihm ist als Fragment eine Schrift mit dem Titel überliefert: "Das Schachspiel in seiner eigentümlichen und höheren Bedeutung". In Schillers bürgerlichem Trauerspiel "Kabale und Liebe" wird eine Revanche auf dem Schachbrett gefordert, bevor es am Ende zu furchtbaren Verwicklungen kommt.
Vor allem im Russland hat Schach einen großen Stellenwert. Dort leben heute mehr als vier von weltweit insgesamt sechs Millionen Vereinsspielern. Kein Wunder, dass das Schachspiel in der russischen Literatur besonders oft gewürdigt wird.
Alexander Puschkin spielte eine Partie noch am Vorabend des Duells, das ihm den Tod brachte. Der Schriftsteller Iwan Turgenjew war gern gesehener Gast im legendären Pariser Schach-Café "Café de la Régence" und avancierte zu einem erstklassigen Virtuosen. Lew Tolstoi fand zwar erst spät Vergnügen am Schachspiel, war dann aber davon fasziniert.
Schach als Lebensretter
Die Faszination des Schachs fasste der Österreicher Stefan Zweig treffend in Worte. Er schrieb in seiner 1943 erschienenen "Schachnovelle":
"Ist es nur ein Spiel oder ist es nicht auch eine Wissenschaft... begrenzt in geometrisch starrem Raum und dabei unbegrenzt in seinen Kombinationen... das einzige Spiel, das allen Völkern und Zeiten zugehört und von dem niemand weiß, welcher Gott es auf die Erde gebracht".
In der "Schachnovelle" schildert Zweig in einer Rahmenhandlung das Duell zweier meisterhafter Schachspieler. Im Weiteren erfährt der Leser das Schicksal eines der Spieler: Er hat sich das Spiel selbst beigebracht, als er während des Nationalsozialismus' in der Gefangenschaft der Gestapo saß. Die zermürbende Einzelhaft überstand er nur, weil er 150 Partien aus einem Schachbuch auswendig gelernt hatte.
Nachdem er alle Partien beherrschte, begann er, im Geiste gegen sich selbst zu spielen. Das allerdings griff seine Nerven allerdings derart an, dass er den Verstand verlor und deshalb schließlich aus der Haft entlassen wurde.
Im Schachduell der Rahmenhandlung tritt diese "Schachvergiftung" wieder auf. Zweig schildert das Schachspiel in all seinen faszinierenden Aspekten – als Spiel, das die geistigen Kräfte völlig beansprucht und in dem es darum geht, Macht über den Gegner zu gewinnen. 1960 wurde "Die Schachnovelle" mit Mario Adorf und Curd Jürgens verfilmt.
Schach als Sucht
Die absolute Fixierung auf Schach steht in Wolfgang Petersens Film "Schwarz und weiß wie Tage und Nächte" aus dem Jahr 1978 im Mittelpunkt: Thomas Rosenmund hat als Kind vom bloßen Zuschauen Schach gelernt. Als Erwachsener ist er dem Spiel verfallen, für ihn zählt nichts anderes als Schach.
Von morgens bis spät in die Nacht studiert er die bedeutendsten Partien der Schachgeschichte und versucht Lösungen für komplizierte Stellungen zu finden. Schlaf, Nahrungsaufnahme, Gespräche: All das wird zweitrangig. Rosenmund verliert den Blick für die Realität und ist zu menschlichen Kontakten kaum noch fähig. Die Hauptrolle spielt Bruno Ganz.
Auch in der TV-Serie "Das Damengambit" (Queen's Gambit) ist der Übergang von Schachgenie und Sucht fließend. In der Serie wächst die junge Beth Harmon (Anya Taylor-Joy) in den 1950er-Jahren in einem Waisenhaus auf. Dann entdeckt sie ihr großes Schachtalent und versucht sich in der Männerdomäne Schach durchzusetzen. Dabei kämpft sie nicht nur gegen die anderen Spieler, sondern trotz ihres wachsenden Ruhms vor allem gegen ihre eigene Alkohol- und Medikamentensucht.
Schach als tödlicher Thriller
Im Thriller "Knight Moves" aus dem Jahr 1992 spielt ein Serienkiller ein tödliches Spiel: Er fordert den Schachgroßmeister Peter Sandersen (Christopher Lambert), der sich gerade auf eine Weltmeisterschaft vorbereitet, am Telefon zu einem Duell heraus. Für jede Figur, die er am Schachbrett schlägt, bringt er eine Frau um. Mit ausgeklügelten Schachrätseln kündigt der Unbekannte seine nächste Bluttat an. Sandersen, der selbst unter Mordverdacht gerät, muss zu einem Spiel antreten auf Leben und Tod.
Ein lebensgefährliches Schachspiel hat auch der Zauberlehrling Harry Potter zu bestehen, eine der berühmtesten Figuren der Kinderliteratur: Im Kampf gegen seinen Erzfeind Lord Voldemort finden sich Harry und seine Freunde plötzlich auf einem riesigen Schachbrett wieder. Und beim Zauberschach kann jeder Zug tödlich sein, denn die lebensgroßen Steinfiguren erwachen zum Leben und wollen Harry an den Kragen. Aber natürlich übersteht der junge Zauberer diese Schachpartie heil.
(Erstveröffentlichung 2004. Letzte Aktualisierung 16.01.2024)