Psychologie

Verschwörungstheorien

Anhänger von Verschwörungstheorien sind sich sicher: Eine bestimmte Gruppe von Menschen will ihnen schaden. Nichts ist so, wie es scheint. Und natürlich sind alle Ereignisse miteinander verbunden.

Von Martina Frietsch, Sabine Kaufmann

Was kennzeichnet Verschwörungstheorien?

Verschwörungstheorien werden übrigens auch Verschwörungsmythen oder Verschwörungserzählungen genannt – weil der Begriff "Theorie" so klingen kann, als ob eine wissenschaftliche Theorie dahintersteht. Das stimmt aber nicht.

Michael Butter, Amerikanistik-Professor mit Forschungsschwerpunkt Verschwörungstheorien, sagt dennoch: "Der Begriff Verschwörungstheorie erfasst das Phänomen, um das es geht, sehr gut."

Am Anfang jeder Verschwörungsideologie steht das Misstrauen gegenüber einer gesellschaftlichen Gruppe. Dieses Misstrauen steigert sich zu einem Verschwörungsglauben, der davon ausgeht, dass sich die Gruppe gegen eine andere Gruppe verschworen hat, um ihr zu schaden.

Es wird einfach in Schwarz und Weiß, in Gut und Böse eingeteilt. Wichtig ist auch das Element der Planung – bei Verschwörungsideologien geschieht nichts durch Zufall. Nichts ist so, wie es scheint. Und natürlich sind alle Ereignisse miteinander verbunden.

Verschwörungstheorien und Symbole

Von Inka Reichert (WDR)

Zahlreiche Verschwörungstheorien umranken die Freimaurer und andere Geheimverbünde. Ihre Symbole finden sich auch in unserem Alltag wieder.

Stickerei auf der ein Auge abgebildet ist, eingerahmt von einem goldenen Dreieck

Viele Anhänger von Verschwörungstheorien halten die Freimaurer für einen Geheimbund. Angebliche Beweismittel sind Zeichen und Symbole, die überall zu finden sind, darunter das Auge der Vorsehung. Es ist tatsächlich ein Symbol, das die Freimaurer verwenden. In Hamburg zierte es etwa während eines Pressetermins anlässlich des 275-jährigen Bestehens der Freimaurer in Deutschland eine Altardecke im Tempelraum. Für die Freimaurer hat das Auge aber nichts mit Verschwörung zu tun: Es symbolisiere die Wahrheit und fordere zu Weisheit auf.

Viele Anhänger von Verschwörungstheorien halten die Freimaurer für einen Geheimbund. Angebliche Beweismittel sind Zeichen und Symbole, die überall zu finden sind, darunter das Auge der Vorsehung. Es ist tatsächlich ein Symbol, das die Freimaurer verwenden. In Hamburg zierte es etwa während eines Pressetermins anlässlich des 275-jährigen Bestehens der Freimaurer in Deutschland eine Altardecke im Tempelraum. Für die Freimaurer hat das Auge aber nichts mit Verschwörung zu tun: Es symbolisiere die Wahrheit und fordere zu Weisheit auf.

Das Auge der Vorsehung ist ursprünglich ein Symbol im Christentum. Es findet sich auch auf der Ein-Dollar-Note. Die Zeichen der Geheimbünde sind überall, sogar auf unserem Geld, sagen daher die Verschwörungsgläubigen. Sie sehen darin einen Beleg dafür, dass die Freimaurer den Staat unterwandern und im Verborgenen die Fäden ziehen.

Einst zählten Winkelmaß, Rechteck und Zirkel zu den Erkennungssymbolen der Steinmetzbruderschaften. Auch die Freimaurer bedienen sich dieser Zeichen: Sie verwenden sie für ihre Orden und Abzeichen. Da sich diese Symbole auch sonst oft im Alltag wiederfinden, ergötzen sich die Verschwörungsgläubigen gerne daran.

Die Freimaurer haben ganz Washington unterwandert, behaupten die ganz Argwöhnischen. Der angebliche Beweis: Die Stadt ist symmetrisch aus Rechtecken aufgebaut. Wer an diese Verschwörungstheorie glaubt, findet dort alle möglichen verdächtigen Winkel, darunter ein rechtwinkliges Dreieck, dessen Eckpunkte das Weiße Haus, das Washington Monument und das Kapitol bilden. Wenn das mal nicht ein eindeutiges Anzeichen dafür ist, dass die Freimaurer hier ihre Finger im Spiel haben!

Freimaurer beten angeblich den Dämon Baphomet an. Mit dieser fiktiven Zeichnung aus dem Jahr 1890 dichtete Léo Taxil den Freimaurern Verbindungen zum Teufel an. Léo Taxil, der in Wirklichkeit Marie Joseph Gabriel Antoine Jogand-Pagès hieß, hatte sich in den Geheimbund eingeschlichen, um satanische Riten zu enthüllen. Noch heute gilt die Figur Baphomets als Symbol einer freimaurerischen Verschwörung.

Manch ein Verschwörungstheoretiker meint, den Dämon Baphomet auf dem alten Personalausweis entdeckt zu haben. Die Umrisse, die angeblich den Kopf des Dämons darstellen, sind hier mit einer roten Linie hervorgehoben.

Doch nicht nur die Freimaurer stehen unter Verschwörungsverdacht. Nach einer Theorie ist die Marke Marlboro oder gar der ganze Tabak-Konzern Philip Morris angeblich vom Ku Klux Klan (KKK) unterwandert. Der Beweis: Die roten Flächen auf Vorder-, Ober- und Rückseite der Schachtel ähneln dreimal dem Buchstaben "K". Zudem soll sich zwischen den Beinen des Wappentiers ein Klanmitglied befinden, mit typischer Tracht und ausgestreckten Arm.

Auch durch das Bestseller-Buch "Illuminati" (2003) vom US-Schriftsteller Dan Brown stehen die Illuminaten im Fokus der Verschwörungsgläubigen. Die Zahl 23 fürchten sie als Geheimzeichen des Ordens. Mit allerlei Fantasie und Rechenvarianten finden sie diese überall wieder, so auch im Geburts- und Todesjahr des Sängers Kurt Cobain.

Die Eule der Minerva steht für Weisheit. Auch die Illuminaten benutzten sie als Ordenssymbol. Wieder ein höchst willkommenes Zeichen für die Verschwörungsgläubigen, denn die Eule findet sich auf den Schreibtischen vieler Philosophen wieder oder auch auf ihren Grabsteinen. Ein angeblicher Beweis dafür, dass die Illuminaten überall lauern.

Je nach Typ von Verschwörungserzählung ist eine Gruppe von unten dabei, die Ordnung zu zerstören und die Macht zu übernehmen. Das häufigste Motiv, das einer Verschwörungserzählung zugrunde gelegt wird, ist die Weltherrschaft. Egal ob es Juden, Außerirdische oder Freimaurer sind, gegen die sich das Misstrauen richtet: Ihnen wird unterstellt, die Welt beherrschen und allen anderen Menschen schaden zu wollen.

Der andere Typ, so Experte Michael Butter, sei die Verschwörung von oben – hier ist schon alles passiert; nicht näher definierte Mächte herrschen über die Menschen. Es gibt die Furcht vor Verschwörungen von außerhalb und solche, die sich auf konkrete Ereignisse beziehen – den Tod bestimmter Personen, Anschläge und mehr.

In der Welt der Verschwörungsmythen

Eine Gruppe, der man fast alles zutraut, sind die Geheimdienste, wie etwa die CIA (Central Intelligence Agency), der israelische Mossad oder der einstige sowjetische Geheimdienst KGB. Sie arbeiten im Geheimen, ihre Arbeit ist undurchsichtig. Niemand weiß genau, was sie tun. Das ist der Nährboden für Verschwörungen aller Art.

Katastrophen werden umgedeutet und mit Verschwörungsmythen in Verbindung gebracht. Bestes Beispiel sind die Verschwörungserzählungen zu den Terror-Anschlägen vom 11. September 2001. Den Geheimdiensten CIA und Mossad wird unterstellt, hinter dem Einsturz des World Trade Centers zu stehen.

Wappen der CIA im Boden des CIA Hauptquartiers in Langley

Auch die CIA dient Verschwörungsgläubigen als Feindbild

Und überhaupt wurden alle hochrangigen Politiker bereits durch außerirdische Echsenmenschen ersetzt, die uns steuern; Angela Merkel ist Hitlers Tochter und die Bundesrepublik eine GmbH. Das klingt nach wilden Ideologien, an die aber durchaus viele Menschen glauben.

Beispiel Corona-Pandemie: Hier behaupten einige Menschen, das Coronavirus sei künstlich hergestellt und/oder mit Absicht verbreitet worden; die Regierungen hätten sich gegen ihre eigenen Völker verschworen, um sie mit den Einschränkungen besser kontrollieren zu können. Auch Bill Gates wird vorgeworfen, das Virus in Umlauf gebracht zu haben, um alle Menschen mithilfe einer Impfung zu chippen und die Weltherrschaft zu erlangen.

Im Dezember 2020 kamen in der Europäischen Union (EU) die ersten Corona-Impfstoffe auf den Markt. Dies machten sich Verschwörungstheoretiker zu Nutze, um neue Mythen zu verbreiten: Es wurde behauptet, die Impfstoffe seien nutzlos, sie machten unfruchtbar, erzeugten Krebs, Gesichtslähmungen oder seien für Todesfälle verantwortlich. Schnell entwickelte sich eine Bewegung von Impfgegnern, die auch politische Dimensionen annahm.

Bereits wenige Monate nach den ersten Impfungen stellte der Verfassungsschutz die "Querdenken"-Bewegung bundesweit unter Beobachtung. Ein Grund dafür war eine auffällige Nähe zu Rechtsextremisten und "Reichsbürgern". Außerdem würden demokratische Entscheidungsprozesse sowie die entsprechenden Institutionen "in sicherheitsgefährdender Art und Weise delegitimiert und verächtlich gemacht".

Verschwörungsideologien funktionieren nach allgemeinen Regeln

Der Ausgangspunkt jeder Verschwörungsideologie ist eine Geheimgesellschaft, der man böse Machenschaften und schreckliche Vorhaben unterstellt. Das bildet die These, die über der Verschwörungserzählung steht. Alles, was die These stützt, tragen die Autoren der Erzählung zusammen. Was der These widerspricht, lassen sie schlicht unter den Tisch fallen.

Die Zahlen oder Fakten, die sie verwenden, sind leicht nachprüfbar. Nur die Schlussfolgerungen, die aus dem ganzen Zahlen- und Datenmaterial gezogen werden, sind falsch. Oft deuten die Verschwörungserfinder wahre Ereignisse so um, dass sie zur Theorie passen.

Wirkungsvoll ist es, die Wissenschaft in Frage zu stellen und zu attackieren. Denn die Theorie braucht nur den Anstrich von Authentizität. Große Wirkung erzielen Verschwörungsideologen auch damit, ihre Gegner zu dämonisieren.

Unter dem Strich ist eine Verschwörungsideologie also eine Mischung aus einigen nachprüfbaren Fakten und vielen erfundenen Behauptungen und Geschichten, aus denen immer neue Sinnzusammenhänge konstruiert werden.

Merkmale einer Verschwörungstheorie

nach Sebastian Bartoschek, Psychologe und Verschwörungstheorie-Forscher

  • Sie muss eine gemeinschaftliche Aktion bezeichnen, die auf ein bestimmtes Ziel gerichtet ist.
  • Sie muss von denjenigen, die sie verbreiten oder glauben, als illegitim oder illegal wahrgenommen werden.
  • Sie muss im Gegensatz zu einer offiziellen Version der Wahrheit stehen.

Wer steckt hinter den Verschwörungsideologien?

Viele Verschwörungsideologien werden von Menschen erdacht, die wirklich daran glauben. Am Anfang steht ein Verdacht, und die wichtige Frage: Wem nützt es? Es werden Verbindungen hergestellt, ein Verdacht formuliert. Die Gruppe, die verdächtigt wird, wird nur vage beschrieben – "die Mächtigen", "die Politiker", "der Feind". Es bleibt Spielraum für Fantasie.

Oft werden Verschwörungsmythen anonym in Umlauf gebracht – das Internet ist hier sehr hilfreich. Problematisch wird es, wenn die Mythen für politische Zwecke eingesetzt werden. Dies ist beispielsweise in den USA bei QAnon zu beobachten, eine anonyme Person oder Gruppe, die mittels Verschwörungsideologien rechtes Gedankengut verbreitet.

In Deutschland werden Verschwörungsmythen von rechten Parteien genutzt, die damit Themen wie Zuwanderung oder die Corona-Pandemie besetzen und die Menschen in ihrem Sinne lenken. Sie verändern damit die Art, wie Demokratie funktioniert und dies sei gefährlich, meint die Sozialpsychologin Pia Lamberty.

Das Geschäft mit den Verschwörungen

Hinter manchen Verschwörungsideologien stecken gut erkennbar finanzielle Interessen. Das Geschäft mit dem Schutz vor den mächtigen Geheimbünden läuft gut. Verkauft werden Bücher, Filme, Wunderheilmittel, T-Shirts, Survival-Kits, Schutz gegen Chemtrails und mehr. Videos auf YouTube und Co. bringen Millionen Clicks und damit Werbeeinnahmen.

Der deutsche Arzt Sucharit Bhakdi, der zu Beginn der Corona-Pandemie gut mit abstrusen Thesen zum Virus per Video in den sozialen Netzwerken vertreten war, brachte recht schnell ein schmales Büchlein auf den Markt, das prompt zum Bestseller wurde.

Kommerziell besonders erfolgreich ist der US-amerikanische Verschwörungsideologe Alex Jones, Betreiber des Portals Infowars und bekennender Trump-Fan. In seiner Radiosendung tobt der Moderator regelrecht, wenn er über Verschwörungsmythen aller Art spricht. Wenn das Mikro zu ist, ist Alex Jones ein gewiefter Geschäftsmann, der neben allerlei Merchandise-Artikeln auch Potenzmittel und "Brain-Force-Plus"-Tabletten anbietet – gegen Gifte, die ins Trinkwasser gemischt werden.

Fake News, Desinformation und echte Verschwörungen

Nicht jede Halbwahrheit ist auch gleich eine Verschwörungserzählung. Häufig anzutreffen ist das Mittel der Desinformation: "Corona ist nicht schlimmer als eine Grippe" ist ein Beispiel. Erst wenn unterstellt würde, dass eine undurchsichtige Macht im Hintergrund das Virus für ihre Zwecke nutzt, um anderen zu schaden, wären die Zutaten für den Verschwörungscocktail beisammen.

Auch das reine Abstreiten von Fakten, das durch Donald Trumps Ausrufe "Fake News!" traurige Berühmtheit erlangte, geht noch nicht als Verschwörungsideologie durch.

Und dann gibt es noch die wirklichen Verschwörungen: Die römischen Senatoren, die sich gegen den Herrscher Julius Cäsar verschworen und ihn ermordeten; die Verschwörer des 20. Juli 1944, die Hitler töten wollten. Hier schließt sich eine Gruppe von Menschen zusammen, die einem oder mehreren anderen tatsächlich schaden will.

Verschwörungskatalysator Internet

Auch wenn Verschwörungsideologien heute sehr präsent sind, haben sie nach Meinung von Experten nicht zugenommen. Was sich früher in einer eher esoterischen Nische abspielte, ist jetzt öffentlich sichtbar im Internet.

Wer hinter einem Thema, einem Ereignis eine Verschwörung vermutet, findet nach wenigen Klicks eine. Ebenso einfach ist die Verbreitung: Sehr beliebt sind schnell produzierte Videos, die jeder problemlos in die Weiten des WWW hochladen kann.

Vor allem auf YouTube stehen Videos, die Verschwörungsideologien verbreiten. Der Algorithmus der Seite sorgt dafür, dass die Zuschauer gezielt weitere passende Videos vorgeschlagen bekommen, die sie schauen, liken, verbreiten, beschreibt Autor Sascha Lobo das Problem.

Dazu finden die Nutzer in den sozialen Medien Gleichgesinnte, haben positive Erlebnisse und fühlen sich besser informiert als ihre Umgebung. Ab diesem Zeitpunkt bewegen sich viele Verschwörungsgläubige in einer Art "Blase" – im Verschwörungszirkel in den sozialen Medien gibt es Anerkennung, im realen Leben eher nicht.

(Erstveröffentlichung 2010. Letzte Aktualisierung 29.01.2024)

Quelle: SWR

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