Liebe

Liebesgeschichten

Die große Liebe und die Unmöglichkeit, sie zu leben: "Romeo und Julia" gilt als berühmteste Liebesgeschichte der Weltliteratur und als Vorbild für viele andere. Doch tragische Liebeserzählungen gab es schon lange vorher.

Von Sine Maier-Bode

Adam und Eva

Es hätte alles so schön sein können: Ein Mann und eine Frau im Paradies – keine anderen Menschen, auf die der Partner hätte eifersüchtig werden können, keine Arbeit, die einem die Zeit für die Liebe raubt, keine Geldprobleme.

Aber was wäre eine gute Geschichte, wenn es da nicht doch ein Problem gäbe: Im Falle von Adam und Eva ist es der Baum der Erkenntnis, von dem sie nicht naschen dürfen, das einzige Hindernis für ewiges Glück – und genau darüber stolpern sie.

Es geschieht, was geschehen muss: "Und Eva nahm von der Frucht und aß und gab ihrem Mann, der bei ihr war, auch davon, und er aß." Das Ende ihres Lebens im Paradies und der Beginn vieler Sorgen und Nöte.

Orpheus und Eurydike

Fortan müssen sich alle Liebespaare mit Hindernissen herumschlagen. Sie begehen unnötige Fehler und stolpern blind in Fallen, die der Leser manches Mal schon lange vor ihnen erahnt.

Es scheint zu den Grunderfahrungen der Liebesgeschichten zu gehören, dass sie nicht sein dürfen – alles andere ist trivial. Das wussten auch schon die alten Griechen und Römer, die dank einer reichhaltigen Anzahl an Liebesboten eigentlich über glücklichere Lieben hätten schreiben können.

Eine nahezu perfekte Liebe bestand zwischen Orpheus und Eurydike. Orpheus, halb göttlicher Abstammung, war berühmt für seine Liederkunst, die nicht nur Steine, Tiere und Götter entzückte, sondern auch seine über alles geliebte Frau Eurydike. Nichts war da, das ihr Glück hätte stören können, wäre nicht eine Schlange herbeigenaht und hätte Eurydike gebissen. Nur ein Wunder konnte das Paar noch retten, und ein Wunder passierte tatsächlich.

Orpheus durfte Eurydike aus dem Totenreich herausholen, unter einer Bedingung: Er durfte sich nicht umdrehen, bis die beiden das Reich der Toten verlassen hatten. Doch die Versuchung war zu groß, und wieder geschah, was geschehen musste: Orpheus drehte sich um und Eurydike musste für immer ins Totenreich zurückkehren.

Und weil dieses Ende so furchtbar unnütz und tragisch ist, vermuten wir, dass die Liebe einfach zu groß, zu schön war, um ewig zu währen. Oder war vielleicht seine Sehnsucht nach der Liebe größer als die Liebe selbst?

Auch bei Orpheus und Eurydike spielt die Schlange eine Rolle | Bildquelle: mauritius images/Alamy

Romeo und Julia

Liebe auf den ersten Blick trifft Romeo und Julia. Romeo ist eigentlich ein rechter Flattergeist. Gerade noch liebte er Rosalinde voller Sehnsucht, da sieht er Julia, und vorbei ist die Liebe zu Rosalinde.

Julia ist nicht nur jung und schön, sie erwidert seine Liebe auch sogleich. Alles wäre zum besten bestellt, gäbe es da nicht die verfeindeten Elternhäuser. Eine lange Geschichte voller Hadern und Sehnsucht beginnt. Als sich am Ende für die beiden doch noch eine Chance bietet, möchte man es ihnen von ganzem Herzen gönnen, endlich für immer zueinander zu finden. Doch, ach! Ein Missverständnis, ein falscher Moment – Romeo wähnt Julia tot und bringt sich selber um. Und Julia, die treue, liebevolle Julia folgt ihm.

Warum diese beiden ebenfalls sterben müssen, wiederum auf grausam tragische Weise, kann man nur ahnen. Vielleicht glaubte der englische Dichter William Shakespeare, der das Drama um Romeo und Julia 1596 endgültig berühmt machte, nicht an die ewige Liebe. Ahnte er, dass das Verliebtsein selbst bei zweien wie Romeo und Julia einmal zu Ende gehen könnte? Vielleicht schien ihm hier der Tod allemal besser – zumindest in der Literatur.

Das berühmteste Liebesdrama der Welt | Bildquelle: akg

Rhett Butler und Scarlett O'Hara

Auch der Film hat seine Liebeslegenden geschaffen. Eine der mitreißendsten ist wohl die verzweifelte Liebe zwischen Rhett Butler und Scarlett O'Hara, die Millionen von Zuschauern bewegte. Bauten sich die beiden doch dort Hindernisse auf, wo eigentlich gar keine sein mussten.

Scarlett ist 17 Jahre alt, als sie den doppelt so alten Rhett Butler das erste Mal trifft. Die Zuschauer wissen sofort, dass die beiden zusammengehören, aber vor allem Scarlett ahnt es noch lange nicht. Sie schenkt ihr Herz dem Weichling und Schöngeist Ashley.

Es ist die Zeit des amerikanischen Bürgerkrieges und nicht nur in Herzensdingen geht es stürmisch her. Der Kampf der Nordstaaten gegen die Südstaaten begleitet den Kampf dieser beiden, die sich zu ähnlich sind, um wirklich miteinander in Frieden leben zu können.

Warum hatte ausgerechnet diese Liebesgeschichte, der kein Happy-End beschieden ist, sowohl als Film, als auch als Buchvorlage so großen Erfolg? Vielleicht liegt der Grund ja darin, dass es der Autorin gelungen ist, die Hoffnung bis zum Schluss nicht sterben zu lassen. Schließlich leben die beiden noch und jeder Zuschauer kann den Roman für sich zu Ende schreiben.

Rhett Butler und Scarlett O'Hara | Bildquelle: dpa

(Erstveröffentlichung 2003. Letzte Aktualisierung 15.07.2020)