Aids

Aids in Südafrika

Südafrika ist eines der Länder, die weltweit am stärksten von Aids betroffen sind. Grund dafür waren jahrzehntelang die fehlende Aufmerksamkeit der Weltöffentlichkeit, das fehlende Engagement der eigenen Regierungen und die viel zu hohen Medikamentenpreise.

Von Katrin Ewert, Sine Maier-Bode

Aids als weltweites Problem

HIV ist ein weltweites Problem. Im Jahr 2019 waren schätzungsweise 38 Millionen Menschen mit dem HI-Virus infiziert. Auch in Europa und in den USA infizieren sich jedes Jahr tausende Menschen neu, aber eine Infektion mit HIV kommt hierzulande nicht mehr einem Todesurteil gleich. Die Krankheit ist mit Medikamenten in Schach zu halten.

Trotz der medizinischen Fortschritte ist Aids nach wie vor nicht heilbar und das Virus breitet sich immer noch aus. Zurzeit trifft es die Länder Afrikas südlich der Sahara am stärksten. Auf der Liste mit den Ländern, die am stärksten von HIV betroffen sind, steht Südafrika nach Swasiland, Lesotho und Botswana an vierter Stelle (Stand 2019).

Auch in einigen asiatischen Ländern wie den Philippinen, Pakistan und Bangladesch sowie in Osteuropa ist die Rate von HIV-Infizierten stark angestiegen. Experten der Weltgesundheitsorganisation WHO befürchten, dass sich die Situation dort bald ähnlich wie in Afrika entwickeln könnte, falls niemand rechtzeitig etwas gegen die Ausbreitung des HI-Virus unternimmt.

Protestmarsch für HIV- und AIDS-Kranke in Kapstadt | Bildquelle: wdr

Südafrikas verlorene Zeit im Kampf gegen Aids

Da das Thema Aids in vielen Ländern öffentlich tabuisiert wurde, fehlte es jahrelang an Aufklärungsarbeit. Das gilt auch für Südafrika.

Erst im Jahr 1994, zehn Jahre nachdem das HI-Virus in Südafrika aufgetaucht war, wurde dort die erste nationale Aids-Konvention auf den Weg gebracht. In diesem Jahr hatte der Afrikanische Nationalkongress (ANC) unter Nelson Mandela die Macht übernommen.

Zwar sah man sich zu dieser Zeit immer noch Strukturen gegenüber, die die Durchsetzung eines Anti-Aids-Programms schwer machten. Dennoch erließ Südafrika ein Gesetz, das endlich einen Zugang zu billigeren Generika im Lande ermöglichen sollte. Das sind Medikamente, die die originalen Aids-Präparate nachahmen und deutlich günstiger sind.

Gegen diesen Gesetzesvorstoß reichten Pharmakonzerne allerdings Klage ein. Die Nachfolgeregierung unter Thabo Mbeki (1999 bis 2008) sah keine Notwendigkeit, dagegen anzugehen. Schlimmer noch, Mbeki stellte den Zusammenhang zwischen dem HI-Virus und Aids infrage und bezweifelte öffentlich den Sinn einer medikamentösen Therapie.

Die Folgen seiner Politik waren für das Land verheerend. Allein 35.000 Babys wurden in dieser Zeit mit dem Virus infiziert.

Ein an Aids erkrankter Junge, der kurz nach der Aufnahme starb | Bildquelle: dpa/Kim Ludbrook

Der Sieg der "Treatment Action Campaign" (TAC)

Im Jahr 1998 wurde in Südafrika die „Treatment Action Campaign“ (TAC) gegründet. TAC ist eine Nichtregierungsorganisation, in der fast alle Mitglieder ehrenamtlich arbeiten. Ein großer Teil von ihnen ist HIV-positiv.

Die wichtigsten Ziele der TAC sind es, die Bevölkerung aufzuklären und für bezahlbare Medikamente für HIV-positive Menschen in Südafrika zu kämpfen.

Seit 1998 informiert TAC die Öffentlichkeit – über die Gefahren von Aids, über die Schutzmaßnahmen und über die Möglichkeit, an Medikamente zu gelangen. Zu dieser Zeit gab es schon zahlreiche Länder, die Generika herstellten, und einige Länder, die diese einführten, um ihren Kranken helfen zu können.

Das Interesse der Bevölkerung an den Aktionen der Treatment Action Campaign wuchs mit der Hoffnung auf mögliche Hilfe. Viele Menschen waren nicht mehr dazu bereit, Aids zu ignorieren, die Gegebenheiten hinzunehmen und der Krankheit hilflos ausgeliefert zu sein.

2001 mobilisierte TAC tausende Menschen, um gemeinsam mit der Regierung gegen die Klage der Pharmakonzerne vorzugehen. Sie hatten Erfolg: Die Klage konnte abgewendet werden.

Preiswerte Aids-Medikamente aus Indien | Bildquelle: wdr

Doch der Erfolg war nur von kurzer Dauer. Schon bald zeigte sich, dass sich im Land selbst nichts änderte. Die Regierung gab bekannt, dass die entsprechenden Medikamente in Kliniken nicht angewendet werden dürften.

Ebenfalls 2001 klagte TAC gegen die südafrikanische Regierung und hatte wieder Erfolg. Seitdem ist in Südafrika eine Therapie zugelassen, die die Übertragung des Virus von der Mutter auf das Kind verhindern kann.

Einen Monat zuvor hatte das Pharmaunternehmen Boehringer Ingelheim den Wirkstoff Nevirapin, das die Mutter-Kind-Übertragung reduziert, Entwicklungsländern kostenfrei zur Verfügung gestellt.

Der Oberste Gerichtshof verpflichtete die Regierung, die Behandlung mit Nevirapin zuzulassen – und darüber hinaus einen Plan auszuarbeiten, der allen schwangeren HIV-positiven Frauen die Behandlung mit Nevirapin ermöglichen soll.

Infektionszahlen weiter hoch

Nach Jahren der Untätigkeit hat Südafrika heute das weltweit größte Gesundheitsprogramm gegen Aids. Auch dank einiger Nicht-Regierungs-Organisationen wie "Ärzte ohne Grenzen" werden Aids-Patienten in Südafrika inzwischen mit Generika therapiert. 2016 kündigte der südafrikanische Gesundheitsminister eine große Kampagne an mit dem Ziel, die Aids-Epidemie bis 2030 zu besiegen.

Doch trotz dieser Bemühungen ist die Zahl der Infizierten weiterhin hoch. Rund sieben Millionen Menschen leben in Südafrika mit dem HI-Virus. Fast jeder fünfte Südafrikaner im Alter zwischen 15 und 49 Jahren ist betroffen (Stand: 2019).

Anders als in Nordamerika und in den mitteleuropäischen Ländern sind mehr als die Hälfte der Infizierten Frauen. Jede dritte Südafrikanerin zwischen 30 und 34 Jahren ist HIV-positiv. Da das HI-Virus auch bei der Geburt übertragen werden kann, ist die Infektionsrate bei Neugeborenen sehr hoch. Dies ist eines der großen Probleme, vor dem nicht nur Südafrika, sondern viele andere Regierungen des afrikanischen Kontinents im Moment stehen.

Ein weiteres Problem: Durch die Aids-Pandemie haben zahlreiche Kinder ihre Eltern verloren. Das Hilfswerk SOS Kinderdörfer Weltweit schätzt, dass in Südafrika 1,7 Millionen Aidswaisen leben.

Kostenlose Lebensrettung | Bildquelle: dpa

Die Aids-Organisation UNAIDS der Vereinten Nationen befürchtet, dass die Coronakrise Länder wie Südafrika in ihrer HIV-Bekämpfung wieder zurückwirft. Als Grund gibt die Organisation an, dass Menschen aus Angst vor einer Corona-Infektion nicht zum Arzt gehen. Auch die sexuelle Gewalt zu Hause und damit die Gefahr einer HIV-Infektion nehme durch die Coronakrise zu.

(Erstveröffentlichung: 2004. Letzte Aktualisierung: 03.03.2021)