Vornamen früher und heute
01:50 Min.. UT. Verfügbar bis 04.03.2029. Von Anne Steinkamp/David da Cruz/Bilderfest GmbH.
Gesellschaft
Namen im Wandel der Zeit
Namen helfen, Menschen, Tiere oder Orte zu identifizieren oder voneinander zu unterscheiden. Und sie verraten einiges über uns. Wie sind die Namen entstanden?
Von Anke Riedel
Wir nennen die Dinge gerne beim Namen. Selbst Hoch- und Tiefdruckgebiete oder Hurrikans heißen Klaus, Stephanie oder Katrina. Namen spiegeln die sozialen, sprachlichen und kulturellen Entwicklungen einer Gesellschaft wider.
Die Namensforschung, auch Onomastik genannt, streift viele Fachbereiche, zum Beispiel die Linguistik, Psychologie, Geografie oder Geschichtswissenschaft. Onomastik leitet sich von dem griechischen Wort "onoma" ab, was so viel wie "Name" bedeutet.
Für Forschende sind nicht nur unsere Vor- und Nachnamen spannend, sondern auch geografische Bezeichnungen, wie Orts- oder Flussnamen. Dabei geht es um die Fragen, wie Namen weltweit verteilt sind, was sie ausdrücken und wie sie sich entwickelt haben.
Die Herkunft spielt beim Namen eine große Rolle
Historisch brachten Namen den sozialen oder wirtschaftlichen Status eines Namensträgers zum Ausdruck. Entsprechend hatten Bauern, Sklaven oder Frauen zunächst nur einen Rufnamen. Adelige dagegen hatten mehrere und trugen auch als erste zusätzlich einen Familiennamen. An der Anzahl der Namen ließ sich also der gesellschaftliche Stand ablesen.
Beim einfachen Volk setzten sich Familien- oder Zweitnamen im deutschsprachigen Raum erst ab dem 12. Jahrhundert durch, um besser zu unterscheiden, wer gemeint ist: Heinrich der Lange, Heinrich der Müller oder Heinrich der Metzger. Durch die Bildung von Städten lebten nun viele Gleichnamige auf engstem Raum zusammen.
Der Rufname war oft Programm und drückte die Wünsche der Eltern für ihr Kind aus. So ist "Hildegard" beispielsweise eine Zusammensetzung aus den Wörtern Kampf ("hilta") und Schutz ("gard"), bei "Gertrud" sind die Wörter für Speer ("ger") und Kraft ("thrud") enthalten. "Wilfried" dagegen soll im wahrsten Sinne des Wortes Frieden wollen.
"Gertrud" sollte wehrhaft sein
Die Ansprüche an Vornamen haben sich im Laufe der Zeit verändert. Heute sollen sie gut klingen und dabei möglichst individuell sein. Zum Vergleich: Im Jahr 1385 hießen in Frankfurt am Main die Hälfte aller Frauen Katharina, Else, Gude oder Metze. Heute werden die vier häufigsten Vornamen eines Jahrgangs an lediglich rund fünf Prozent der Neugeborenen vergeben. Namen werden also immer vielfältiger.
Doch manche der alten Namen kommen wieder. Heute werden Mädchen beispielsweise wieder "Ida" genannt – ein uralter Name: Ida hieß schon im 7. Jahrhundert die Gattin des Karolinger-Königs Pippin, eines Vorfahren von Karl dem Großen. Wegen seiner Lautstruktur ist der Name heute wieder modern, denn kurze Namen wie Lilli oder Nele liegen im Trend.
Jede Kultur, Epoche oder Generation hat eigene Modenamen. Entsprechend verraten Namen viel über uns, zum Beispiel unser Alter: "Karl-Heinz" ist oft schon Rentner, weil dieser Name vor langer Zeit modern war – "Ben" hingegen ist vermutlich noch viel jünger. Die Eltern von "Rebecca" oder "Samuel" haben sich für biblische Namen entschieden, während "Kevin" vielleicht nach einem Film-Helden oder einem Fußball-Star benannt ist.
Auch dank Schauspieler Kevin Costner wurde der Vorname in Deutschland beliebt
Die Auswahl eines Namens kann also auf verschiedene Einflüsse zurückgeführt werden. Meist steht heute bei der Namenssuche die Bedeutung des Namens nicht mehr im Vordergrund. Ein Name soll vor allem gut klingen und positive Assoziationen erzeugen.
Denn unser Name ist wichtig für unsere Identität, vor allem unser Vorname. Meist ist es das erste Wort, das wir schreiben können – ein Tor zur Welt, das Erwartungen weckt. So belegt eine Studie der Technischen Universität Chemnitz, dass moderne Namen jung und sexy erscheinen können. Eine "Lea" wird demnach als jünger, attraktiver und intelligenter eingeschätzt als eine "Elfriede".
"Kevin" oder "Chantal" haben es schwerer, wie eine Online-Befragung unter Lehrenden zeigt. Ihnen wird in Bezug auf Sozialverhalten und Leistungsfähigkeit weniger zugetraut als einer "Hannah" oder einem "Maximilian", da bei ihnen ein sozial schwächerer Hintergrund vermutet wird.
Nachteil für "Chantal"?
Hier zeigt sich wieder das alte lateinische Sprichwort "Nomen est omen", was im Deutschen soviel heißt wie: Der Name ist Programm. Jeder kennt "Hinz" und "Kunz", gemeint ist das einfache Volk. Und genau da kommen diese beiden Namen her. Viele Bauern hießen früher Heinrich oder Konrad, abgekürzt Hinz und Kunz. Schon damals werden diese Namen Erwartungen geweckt haben: Wer so heißt, muss aus dem gewöhnlichen Volk stammen.
Auch heute noch versuchen Menschen Schlussfolgerungen aus Namen zu ziehen. So können negativ besetzte Namen tatsächlich zu Vorurteilen und Ausgrenzung führen. Das gilt auch für Online-Dating-Plattformen: Bestimmte Namen werden häufiger angeklickt als andere. "Felix" und "Paul" haben deutlich bessere Flirt-Chancen als "Uwe". Die Forschenden vermuten, dass sich die negative Bewertung dieser Namen im realen Leben beim Online-Dating widerspiegelt.
Die Qual der Wahl für Eltern: einen Namen aus der Menge herauspicken
(Erstveröffentlichung 2024. Letzte Aktualisierung 01.03.2024)
UNSERE QUELLEN
- Gabriele Rodriguez: "Namen machen Leute. Wie Vornamen unser Leben beeinflussen". Komplett Media, 2. Auflage, München (2017)
- Damaris Nübling, Fabian Fahlbusch, Rita Heuser: "Namen. Einführung in die Onomastik". Narr Francke Attempto, 2., überarbeitete und erweiterte Auflage, Tübingen (2015)
- Jochen E. Gebauer, Mark R. Leary, Wiebke Neberich:" Unfortunate First Names: Effects of Name-Based Relational Devaluation and Interpersonal Neglect". Social Psychological and Personality Science, 3(5), 590-596 (2012)
- Astrid Kaiser: "Vornamen: Nomen est omen?", in: Amtlicher Schulanzeiger für den Regierungsbezirk Oberfranken Nr. 12, S. 1‒4 (2009)
- Barbara Lochner: "Kevin kann einfach auch nicht Paul heißen – Methodologische Überlegungen zur Anonymisierung von Namen". Zeitschrift für Qualitative Forschung, Verlag Barbara Budrich (2018)
- Tillmann Nett; Angela Dorrough; Marc Jekel, Andreas Glöckner: "Perceived Biological and Social Characteristics of a Representative Set of German First Names". Social Psychology 2020 51:1, S. 17-34
- Dieter Schwab: "Deutsche Familiennamen aus rechtswissenschaftlicher Sicht". In: Namenkundliche Informationen, Hrsg. Susanne Baudisch; Deutsche Gesellschaft für Namensforschung (GfN), Philologische Fakultät der Universität Leipzig, Leipziger Universitätsverlag, S. 110-134 (2015)
- Udo Rudolph, Robert Böhm, Michaela Lummer: "Ein Vorname sagt mehr als 1000 Worte". Zeitschrift für Sozialpsychologie 38.1 S.17-31 (2007)
- Gesellschaft für Deutsche Sprache e.V.: "Auswertung von Vornamen 2022"
- Deutsche Gesellschaft für Namensforschung: "Was ist Namenforschung?"
- Namensberatungsstelle Universität Leipzig
- LVR-Institut für Landeskunde und Regionalgeschichte in Bonn: "Namen"
- Deutscher Bundestag: "Das Namensrecht in der Bundesrepublik Deutschland" (2019, PDF)
Quelle: WDR