Affentheater mit klaren Regeln
Kreischen, Zetern und Schreien hört der Beobachter eines Pavianfelsens fast immer. Irgendwo jagt eine Gruppe ein einzelnes fliehendes Tier. Und Jungtiere ziehen sich gegenseitig so lange am Schwanz und rangeln, bis ein Jungpavian laut protestierend bei einem starken alten Affen Schutz sucht.
Ob im Zoo oder in freier Wildbahn: Eine Pavianhorde macht ein ziemlich lautes Affentheater – scheinbar chaotisch und grundlos. Doch der erste Eindruck täuscht. Für Mantelpaviane ist typisch, dass sie in einer großen Horde von mehr als hundert Tieren um einen relativ kleinen Schlaffelsen zusammenleben. Das ist in ihrer natürlichen Umgebung, den Savannen Afrikas, ebenso wie im Kölner Zoo auf dem Pavianfelsen.
Der Felsen dient als Ausguck, um potenzielle Feinde wie hungrige Raubkatzen früh genug zu erkennen. Je größer die Gruppe ist, desto weniger trauen sich Raubtiere heran. Allerdings stellt eine so große Horde quirliger Paviane auf kleinem Raum auch eine Herausforderung an das tierische Sozialverhalten dar.
Bei den Mantelpavianen gibt es klare Regeln, die das Zusammenleben organisieren. Die Haremsstruktur in der Horde sorgt für eine Grundordnung. Jedes ausgewachsene Männchen leitet eine Gruppe von mehreren Weibchen und Jungtieren. Manchmal gehört der männliche Vorgänger des Haremsführers noch mit zur Kleingruppe.
Mehrere Harems bilden eine Bande, die bei Konflikten zusammenhält. Manchmal bilden miteinander verwandte Harems auch einen Clan. Hier beobachten die Pavianforscher einen besonders engen Zusammenhalt unter den Tieren. Sobald die Horde und ihr Schlaffelsen von fremden Pavianhorden oder Feinden angegriffen werden, sind alle Haremsstreitereien vergessen und die Horde verteidigt sich gemeinsam.
Achtung: Was passiert in der Horde?
Paviane als Streiter und Streitschlichter
Innerhalb der Pavianhorde sind Streitigkeiten zwischen den Haremsführern an der Tagesordnung. Sie dienen der Rangordnung. Meistens bleibt es bei wilden Drohgebärden, lautem Geschrei und bösem Zähnefletschen.
In der Regel vermeiden es die streitenden Haremsführer, sich gegenseitig anzuschauen. Das gilt als äußerste Provokation. Nach einem Blickkontakt kommt es in der Regel auch zu körperlichen Auseinandersetzungen. Allerdings endet das Kräftemessen meistens sehr schnell und ohne Verletzungen.
Zum täglichen Ritual der Paviane gehört es, sich gegenseitig zu lausen. Auch hier halten sich die Tiere an Regeln: Gelaust wird zunächst innerhalb eines Harems. Der Haremsführer wird nur von einem empfängnisbereiten Weibchen gelaust. Das sorgt allerdings für Eifersucht und Streit unter den Weibchen eines Harems. Aufgabe des Haremsführers ist es, für Ruhe im Harem zu sorgen.
Hierzu hat er gestaffelte Verhaltensweisen zur Verfügung: Zunächst schaut er das streitende Weibchen streng an, indem er eine Augenbraue hochzieht. Gibt das Weibchen keine Ruhe, folgt die nächste Stufe: Der Haremsführer drückt das Weibchen auf den Boden und demonstriert seine Stärke.
In der Regel hört das Weibchen dann auf und gibt nach. Ist das nicht der Fall, folgt die Höchststrafe: Der Haremsführer gibt dem Weibchen einen Nackenbiss, der allerdings nicht verletzt. Er muss diesen Nackenbiss aber nur selten anwenden. Meistens ist der Streit schon vorher geschlichtet.
Klare Rangordnung: der Haremsführer genießt
Schnelle Lösung für Pavianpaarprobleme
Pavianmännchen mit niedrigerem Rang belauschen Haremsführer beim Sex und schließen daraus, wie es um die Beziehung steht. Denn die Pavianweibchen gehen in ihrer fruchtbaren Phase enge Partnerschaften mit den Männchen ein. Dabei bevorzugen sie die dominantesten Männchen, die in der Regel die Haremsführer sind.
Innerhalb ihrer Beziehung gibt es aber immer wieder Streit und die Affen trennen sich vorübergehend. Auf diese Weise kommen genau dann auch die Männchen mit niedrigem Rang bei den Weibchen zum Zug, wie Biologen beobachten konnten.
Gebrüll sorgt für Ordnung in der Horde
Streiten lernen fällt Pavianen nicht schwer
Damit in der Pavianhorde die vielen Streitregeln auch beherrscht werden, müssen bereits die Jüngsten das Streiten lernen. Und die tun das nach Herzenslust und ausgiebig: Sie klauen sich Futter, ziehen am Fell und am Schwanz der Spielkameraden, üben provozierende Blicke und jagen sich rund um den Affenfelsen. Die Kleinsten trainieren und erproben ihre Grenzen.
Wird das Spiel einem Jungtier irgendwann zu heftig, meldet es sich mit einem gellenden Schrei. Dann hört der Spielkamerad in der Regel sofort auf. Tut er das nicht, eilen andere Spielkameraden zu Hilfe.
Lediglich die allerjüngsten Babys sind von dem wilden Spiel ausgenommen. In den ersten zwei Lebensmonaten haben die Jungtiere Schonzeit und sind unangreifbar. Auch deshalb spielen alte wie junge Tiere in dieser Zeit so gerne mit den Kleinsten. Denn auch sie stehen dann automatisch unter dem Jungtierschutz.
Bereits die Kleinsten lernen durch Beobachten die Streitregeln
(Erstveröffentlichung 2007. Letzte Aktualisierung 10.07.2019)
Quelle: WDR