Marie-Antoine Carême
Marie-Antoine Carême (1784-1833), der Begründer der "Haute Cuisine", war ein Kind der Französischen Revolution. Als Halbwüchsiger wurde er aus seiner extrem kinderreichen, armen Familie weggeschickt, um Arbeit zu suchen – und das war sein Glück. Er fand Arbeit in der Küche eines Restaurants.
Von dort aus begann Carême seinen Kampf – nicht etwa gegen die politischen Missstände des Landes, sondern gegen die Missstände in den französischen Küchen.
Die Liste von Carêmes Verdiensten ist lang. Er verfeinerte die gesamte Esskultur, indem er vor allem auf das Anrichten der Speisen höchsten Wert legte. Dabei ließ er sich von großen architektonischen Werken wie etwa Tempeln und Pyramiden inspirieren.
In Büchern studierte er stundenlang alle Details der Gebäude, um sie später detailgetreu in Lebkuchen und Zuckerglasur nachzubilden und damit die Tafeln zu dekorieren, an denen er die internationalen Königshäuser bewirtete. Gleichzeitig brachte er Ordnung in die französische Küche.
Carême galt nicht nur als "Koch der Könige und König der Köche", sondern auch als echtes Organisationstalent. Er sorgte dafür, dass die Speisen nicht mehr bunt durcheinander gemischt in großen Haufen serviert wurden, sondern getrennt voneinander, in kleineren Mengen und aufwändig dekoriert.
Fernand Point
Mit seinen zwei Metern Körpergröße und geschätzten 150 Kilogramm Gewicht war Fernand Point (1897-1955) eine imposante Erscheinung. Aber erstaunlicher als seine Körpermaße selbst war im damaligen Frankreich die Tatsache, dass er als Küchenchef auch öffentlich in Erscheinung trat.
Er brach mit den Traditionen seiner Vorgänger, die ihre Küchen nicht verlassen hatten. Gerne und oft erschien Point im Speisesaal seines Restaurants "De la Pyramide" im französischen Vienne und plauderte mit seinen Gästen. Dabei fand er ihre Vorlieben und besonderen Geschmäcker heraus und stimmte zuweilen die Gerichte darauf ab.
Auf diese Weise entwickelte sich Fernand Point zum Vater der "Nouvelle Cuisine", einer revolutionären Kochrichtung, die sich durch leichte Kost und frische Zutaten auszeichnet.
Point begann, das Essen als Gesamterlebnis zu betrachten und legte Wert auf die Atmosphäre in seinem Speisesaal, den er zu einem fast heiligen Raum erhob. Dort sollte alles perfekt sein. Der Meisterkoch soll einmal gesagt haben: "Ich bin nicht schwer zufriedenzustellen, mit dem Allerbesten bin ich höchst zufrieden."
Die Grundsätze seiner Küche und Restaurantführung gab Fernand Point über die Jahre an etliche Nachwuchsköche weiter, wie zum Beispiel an seinen berühmtesten Schüler Paul Bocuse.
Den Höhepunkt der "Nouvelle Cuisine", der neuen Küche Frankreichs, sollte Fernand Point selbst allerdings nicht mehr erleben.
Paul Bocuse
Die neue revolutionäre Art Speisen zuzubereiten, die sich in den 1970er-Jahren von Frankreich aus ausbreitete, hatte mehrere Erfinder und Urheber. Paul Bocuse (1926-2018) gab der "Nouvelle Cuisine" ihr bekanntestes Gesicht. Konsequent setzte er die Grundsätze seines Lehrmeisters Fernand Point um, erweiterte sie und erlangte dafür Weltruhm.
Die Grundsätze waren simpel: Bocuse und seine Kollegen legten Wert auf frische Zutaten der Region, die schonend gegart wurden. Die aufkommenden Tiefkühlprodukte waren verpönt.
Die neuen Köche verwendeten viele Gewürze, wenig Fett, kombinierten nur wenige Zutaten miteinander und verkürzten die Garzeiten. Die Speisen wurden dekorativ auf dem Teller angerichtet, die Soße kam nicht über das Fleisch, sondern daneben.
Paul Bocuse machte sich in den 1970er-Jahren auch dadurch einen Namen, dass er gegen die Extreme in seiner eigenen Bewegung kämpfte. Er war gegen Übertreibungen und mochte es nicht, wenn einige seiner Kollegen verschwindend geringe Portionen aufwändig auf den Tellern drapierten, um sich anschließend zu feiern und die Gäste hungrig nach Hause zu schicken.
Gefeiert hat sich der große Paul Bocuse zwar auch gerne. Aber der Meister präsentierte sich zwischen all den unterschiedlichen Strömungen der neuen Küche immer als ein Verfechter der ehrlichen, bodenständigen Küche, die gleichzeitig leicht sein sollte.
Paul Bocuse – Vater der modernen französischen Küche
Michel Guérard
Während Paul Bocuse der "Nouvelle Cuisine" sein Gesicht gab, fasste sie sein Kollege und Miterfinder der neuen Kochrichtung Michel Guérard (1933-2024) in Worte.
Im Jahr 1976 erschien in Frankreich sein Werk "La Grande Cuisine Minceur", das in der deutschen Ausgabe "Die leichte Große Küche" hieß. Damit war der Name Michel Guérard untrennbar mit der neuen Bewegung verbunden – auch wenn der Meisterkoch selbst nicht durch medienwirksames Auftreten glänzte wie Bocuse und sein Name daher weniger bekannt ist. An seinem Standardwerk zur "Nouvelle Cuisine" kommt bis heute kein Nachwuchs- oder ambitionierter Hobbykoch vorbei.
Eckart Witzigmann
Eckart Witzigmann (Jahrgang 1941) wird oft versehentlich als deutscher Koch bezeichnet, obwohl er Österreicher ist. Das mag daran liegen, dass seine kulinarischen Verdienste weit über die Grenzen seines Landes hinaus reichen.
Als Schüler des legendären Paul Bocuse brachte er die neue leichte Küche aus Frankreich in den deutschsprachigen Raum. Er revolutionierte die hier vorherrschende schwere Küche und sensibilisierte die Menschen für die verschiedenen Zutaten und Zubereitungsarten seiner Gerichte.
Nicht umsonst gab er seinem Restaurant in München den Namen "Aubergine" – ein Gemüse, das in Deutschland noch nicht lange verbreitet war und eher misstrauisch betrachtet wurde.
Witzigmann wollte seine Gäste dazu bringen, sich von alten kulinarischen Dogmen zu befreien. Die Deutschen sollten das Genießen lernen.
Ende der 1970er-Jahre brachte er so frischen Wind in die deutschen, österreichischen und schweizerischen Küchen.
Eckart Witzigmann brachte die "Nouvelle Cuisine" nach Deutschland
Alain Ducasse
Er hat geschafft, was niemandem vor ihm gelang: Der Franzose Alain Ducasse (Jahrgang 1956) bekam als erster Koch zeitgleich dreimal die Höchstwertung von drei Michelin-Sternen für seine Restaurants "Plaza Athénée" in Paris, "Le Louis XV" in Monaco und "Alain Ducasse at the Essex House" in New York.
Selbst kocht er dort zwar fast gar nicht mehr. Aber Ducasse ist ein glänzender Manager und Organisator. Seinen ganz eigenen Kochstil – eine Adaption der Mittelmeerküche mit viel Fisch, Gemüse, Knoblauch und Gewürzen – hat jeder seiner Spitzenköche weltweit verinnerlicht.
Der Meister selbst ist vollauf damit beschäftigt, von einer Stadt in die andere zu fliegen, zu delegieren und zu kreieren. Alain Ducasse geht es vor allem darum, dass die französische Küche authentisch bleibt. Er ist ein entschiedener Gegner der Effekt-Hascherei, die zuweilen in der "Nouvelle Cuisine" zu finden ist.
Seine Zutaten müssen frisch sein und sollen nach dem Kochen möglichst viel ihres ursprünglichen Geschmacks behalten. Die Dekoration ist wichtig, aber zweitrangig. Nach dieser Devise lässt der Meister täglich in mehreren Dutzend Restaurants weltweit Gourmetgerichte zubereiten.
Alain Ducasse: drei Mal drei Sterne
Ferran Adrià
Er liebt es zu experimentieren, zu spielen und auszuprobieren: Der spanische Starkoch Ferran Adrià (Jahrgang 1962) betrieb bis Mitte 2011 das berühmte Restaurant "El Bulli" an der Costa Brava.
Danach nutzte er seine Zeit dazu, in seinem Labor nach neuen Möglichkeiten der Molekularküche zu suchen. Diese neue Kochrichtung stammt wie die "Nouvelle Cuisine" aus Frankreich, allerdings nicht von einem Koch, sondern vom französischen Chemiker Hervé This, der Anfang der 1990er-Jahre den wissenschaftlichen Grundstein legte.
Molekularküche stellt die Frage nach den biochemischen Prozessen beim Kochen und verändert und manipuliert diese nach Belieben. Mit einem "kontrollierten Wasserbad" wird Gemüse beispielsweise bei niedrigen Temperaturen in einem Vakuum über lange Zeit gegart. Dabei ziehen die Gewürze besser ein und das Gemüse wird nicht verwässert.
Was bei Ferran Adrià am Ende vieler Zubereitungsmethoden und Zutaten steht, ist ein Menü, das beinahe alle Sinne anspricht. Verschiedene Texturen, Geschmacksrichtungen und Temperaturen treffen aufeinander und ergänzen sich. Es gibt Bonbons aus Olivenöl, heiße Eiscreme und aufgeschlagene Soße, die Badeschaum gleicht.
Adrià sieht sich selbst gern als Magier. Er schneidet, verformt, verflüssigt und bläst die Dinge auf, wie es ihm gefällt. Auch die Selbstinszenierung beherrscht er perfekt.
Und dabei hat er sich nicht nur die Wissenschaft in die Küche geholt, sondern auch die Kunst. Als erster Koch überhaupt wurde er 2007 zur bedeutenden Kunstausstellung "documenta" eingeladen.
Sein Restaurant "El Bulli" in Cala Montjoi am Mittelmeer wurde kurzerhand zu einem Außenstandort der Ausstellung gemacht. Dort bekochte Ferran Adrià 100 Tage lang willkürlich ausgewählte Besucher der "documenta 12" – und zeigte ihnen und der Welt seine Kunst.
Ferran Adrià holte sich Wissenschaft und Kunst in seine Küche
(Erstveröffentlichung 2009. Letzte Aktualisierung 10.12.2020)
Quelle: WDR