Persönlichkeiten
Die Krupps
Die Familie Krupp ist eine deutsche Industriedynastie. Ihre Geschichte begann bei der Weltausstellung 1851, als Alfred Krupp eine Weltneuheit präsentierte: die Kanone aus Gussstahl. Knapp hundert Jahre später wurde sein Urenkel als Kriegsverbrecher verhaftet.
Von Tina Heinz
Die Waffenschmiede Deutschlands
Schon vor dem Ersten Weltkrieg ist die Firma Krupp im In- und Ausland bekannt als führende deutsche Waffenschmiede. Das ändert sich auch im Zweiten Weltkrieg nicht. Der Konzern produziert Geschütze, U-Boote, Panzerteile und andere kriegswichtige Produkte.
Um trotz des Arbeitermangels im Krieg die Sollzahlen des Rüstungsministeriums zu erfüllen, beschäftigt Krupp auch Arbeiter aus dem Ausland. Ende 1944 machen sie etwa 40 Prozent der Gesamtbelegschaft aus.
Dazu gehören neben angeworbenen Facharbeitern auch viele Kriegsgefangene, Verschleppte und auch Häftlinge aus Konzentrationslagern. Sie leben unter extrem schlechten Bedingungen, besonders nach den ersten Bombenangriffen der Alliierten.
Nach Kriegsende 1945 wird Alfried Krupp von Bohlen und Halbach, Alleininhaber des Konzerns, zusammen mit elf Krupp-Direktoren von einem US-Militärgericht zu zwölf Jahren Haft verurteilt: wegen der Plünderung besetzter Gebiete und der Beschäftigung von Zwangsarbeitern. Außerdem wird sein gesamtes Vermögen konfisziert.
Das Urteil wird vielfach kritisiert, da Alfried Krupp die Leitung des Konzerns erst 1943 von seinem Vater Gustav übernommen hat. Dieser wird zwar als Hauptkriegsverbrecher in Nürnberg angeklagt, dann aber krankheitsbedingt für verhandlungsunfähig erklärt.
Die Wurzeln des Erfolgs
Friedrich Krupp, der 1787 als Sohn einer angesehenen Essener Kaufmannsfamilie geboren wird, gründet im Jahr 1811 die Firma "Fried. Krupp". Er will Gussstahl produzieren – ein aufwändiges Verfahren, das bisher nur die Engländer beherrschen. Doch er schafft es nicht in die Gewinnzone. Nach seinem frühen Tod 1826 übernimmt sein 14-jähriger Sohn Alfred die Geschäfte.
Mit dem Siegeszug der Eisenbahn folgt der erste große Aufschwung: Alfred Krupp produziert zunächst Federn und Achsen, später das von ihm patentierte nahtlose Eisenbahnrad. Er investiert und expandiert unablässig. Trotzdem kommt es wegen Wirtschaftskrisen und großer Investitionen immer wieder zu finanziellen Engpässen.
Einen lukrativen Markt witternd, beschäftigt Alfred Krupp sich mit der Entwicklung von Gewehrläufen aus Gussstahl. Als es ihm 1847 erstmals gelingt, eine Gussstahlkanone herzustellen, zeigt das Militär wenig Interesse. Krupp beginnt trotzdem mit der Kanonenproduktion, überzeugt, dass sich in Zukunft Käufer finden werden. Er wird recht behalten.
Der Aufschwung in den Kriegsjahren
Als Alfreds Sohn Friedrich Alfred die Firma nach dem Tod des Vaters 1887 übernimmt, hat das Unternehmen etwa 20.000 Mitarbeiter. Und es wächst unter seiner Leitung weiter. Friedrich Alfred lässt ein Hüttenwerk in Rheinhausen bauen. Damit sind für Krupp erstmals zwei Produktionsschritte auf engstem Raum möglich – Verhüttung und Stahlerzeugung.
Durch das Wettrüsten in Europa boomt auch der Rüstungssektor. Nach Friedrich Alfreds plötzlichem Tod 1902 erbt die älteste Tochter Bertha die Firma. Die Geschäftsleitung übernimmt ihr Mann, Gustav Krupp von Bohlen und Halbach.
Mit Beginn des Ersten Weltkriegs werden mehr als 80 Prozent des Betriebs auf Rüstung umgestellt. Die Belegschaft verdoppelt sich während der Kriegsjahre auf rund 170.000. Doch mit Kriegsende stehen bei Krupp die Fabriken still. Die Hälfte der Belegschaft muss entlassen werden.
Da der Versailler Vertrag die Produktion von Waffen für Deutschland verbietet, muss die Produktpalette umgestellt werden. Die Belegschaft wird aufgerufen, an einem Ideenwettbewerb für neue Produkte teilzunehmen.
Ende der 1920er-Jahre folgt nach kurzem Aufschwung die Weltwirtschaftskrise. Erst mit den staatlichen Programmen zur aktiven Arbeitsbeschaffung und der Wiederaufrüstung unter Adolf Hitler schreibt Krupp wieder schwarze Zahlen.
Stammbaum der Familie Krupp
Die Werksfamilie
Krupp gilt seit den 1850er-Jahren als Vorbild bei der betrieblichen Sozialpolitik. Schon 1836 wird die "Hülfskrankenkasse in Fällen von Krankheit und Tod" gegründet. Wegen des Arbeiterzuwachses während der Industrialisierung lässt Krupp in Essen die ersten Arbeitersiedlungen bauen. Das Wohnen in einer Werkswohnung unterliegt strengen Regeln: Wer zum Beispiel eine sozialdemokratische Zeitung bezieht, läuft Gefahr, gekündigt zu werden.
Im Essener Altenhof durften Krupp-Rentner mietfrei wohnen
Mit der "Konsum-Anstalt" verfügt Krupp über eine firmeneigene Supermarkt-Kette. Hier können Krupp-Arbeiter Lebensmittel zum Selbstkostenpreis einkaufen. Neben Bildungseinrichtungen für die "Kruppianer" gibt außerdem auch ein eigenes Krankenhaus und eine Badeanstalt.
Krupp funktioniert wie ein Staat im Staat, der Inhaber als Staatsoberhaupt. Er sorgt für seine Arbeiter und verlangt dafür absolute Loyalität. Das Konzept scheint aufzugehen: Insgesamt wird bei Krupp weniger gekündigt als bei anderen Firmen, was dem Unternehmen eine erfahrene Arbeiterschaft sichert.
Mit dem wachsenden Einfluss der Gewerkschaften in der Weimarer Republik werden die Sozialleistungen des Unternehmens zunehmend kritisch hinterfragt. Trotzdem wird bei Krupp weiterhin seltener gestreikt als bei anderen Unternehmen der Branche.
Der Mythos Krupp
Alfred Krupp ist der Begründer des Krupp-Mythos. Er setzt auf prestigeträchtige Auftritte auf der Weltausstellung, gilt als "Kanonenkönig" und erkämpft für seinen Betrieb eine staatliche Sonderstellung. Gleichzeitig verkörpert er den Selfmademan, der es vom einfachen Arbeiter zum Großunternehmer gebracht hat.
Das zeigt sich auch am Wohnsitz: Vom kleinen Haus auf dem Fabrikgelände geht es für die Krupps in die Villa Hügel. Dass die Villa mit ihren 269 Räumen vor allem repräsentativen Zwecken dient, liegt auf der Hand. Heimisch gefühlt haben sich offenbar die wenigsten der Hügel-Bewohner.
Villa Hügel – herrschaftlicher Wohnsitz in Essen
Seit der Erfolgsgeschichte der nahtlosen Eisenbahnräder wird der Name Krupp mit Qualität gleichgesetzt, auch im Ausland. Im Ersten Weltkrieg gilt Krupp als "Waffenschmiede des Reiches" und der vielzitierte "Kruppstahl" wird zur propagandistischen Allzweckwaffe, die auch im Dritten Reich Verwendung findet: Der deutsche Junge soll "flink wie Windhunde, zäh wie Leder und hart wie Kruppstahl" sein, so Adolf Hitler.
Kruppstahl gilt als unzerstörbar. Er symbolisiert die industrielle und militärische Macht Deutschlands.
Das Ende der Krupps
Nach dem Zweiten Weltkrieg wird der Großteil der nicht zerstörten Krupp'schen Werkstätten auf Anweisung der Alliierten demontiert. Alfried Krupp wird 1951 begnadigt und darf ab 1953 wieder die Leitung seiner Werke übernehmen. Er legt sich darauf fest, keine Waffen mehr zu produzieren.
Außerdem holt er sich Unterstützung zur Leitung des Konzerns: 1952 macht er Berthold Beitz zu seinem Generalbevollmächtigten. Beitz soll helfen, den Konzern wieder aufzubauen. Die Produktpalette ist, wie nach dem Ersten Weltkrieg, vielseitig: Unter anderem umfasst sie Lastwagen und Lokomotiven, Seeschiffe und sogar komplette Industrieanlagen.
Alfried Krupp erweitert die Produktpalette
Alfried Krupp von Bohlen vererbt die Firma nicht traditionsgemäß seinem Sohn Arndt, der für die Leitung des Weltkonzerns keine Veranlagung zu haben scheint. Stattdessen leitet er die Umwandlung der Firma in eine GmbH ein und lässt seine Anteile in eine Stiftung übergehen.
Das geschieht auch unter dem Druck von Land und Banken, die nur im Fall einer Umwandlung weiterhin Bürgschaften für Krupp übernehmen wollen. Ein Unternehmen der Größe Krupps in den Händen eines Alleineigentümers gilt nicht mehr als zeitgemäß.
Die "Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung" fördert mit Firmengewinnen Projekte in Wissenschaft, Kultur, Bildung und Sport. So endet die Industriedynastie der Krupps nach fünf Generationen mit Alfrieds Tod im Jahr 1967. Der Krupp-Konzern besteht weiterhin, mittlerweile als Teil der Thyssen Krupp AG.
(Erstveröffentlichung 2009. Letzte Aktualisierung 07.04.2020)
Quelle: WDR