Anfang des 19. Jahrhunderts regierte der französische Kaiser Napoleon über weite Teile Europas. Mehr als zwei Jahrzehnte lang führte er Krieg gegen andere europäische Staaten – zuerst zur Verteidigung, dann um andere Gebiete zu erobern. Schließlich wurde er in der Völkerschlacht bei Leipzig 1813 von den Armeen Österreichs, Russlands, Preußens und Schwedens vernichtend geschlagen. Für viele Länder endete damit die Besatzung durch die Franzosen.
Aber wie sollte es nun weitergehen mit Europa, dessen Grenzen Napoleon in den vorangehenden Jahren neu gezogen hatte?
Um diese Frage zu klären und eine neue europäische Friedensordnung zu schaffen, traf man sich ab 1814 in Wien: die vier Siegermächte unter Leitung des österreichischen Außenministers Klemens Fürst von Metternich waren dabei, das besiegte Frankreich sowie alle Staaten, die an den Befreiungskriegen gegen Napoleon beteiligt gewesen waren.
Der Wiener Kongress wurde das politische und gesellschaftliche Großereignis seiner Epoche. Neben Königen, Fürsten und rund 200 Verhandlungsführern traf sich auch die Prominenz Europas in der Großstadt Wien. Und die bot ein glanzvolles Rahmenprogramm: Rauschende Bälle, Konzerte und Jagden hielten die Kongress-Gesellschaft bei Laune. Deshalb machte bald der Ausspruch "Der Kongress tanzt, aber er kommt nicht vorwärts" die Runde, der zum geflügelten Wort wurde.
Unter dem Vorsitz von Fürst von Metternich traf man sich in Wien
Dabei hatten die Verhandlungsführer viel Arbeit vor sich, um die Neugestaltung Europas umzusetzen. Sie stützten sich auf fünf Grundsätze: Restauration, Legitimität, Solidarität, Kompensation und Mächtegleichgewicht.
- "Restauration" bedeutet die Wiederherstellung der vornapoleonischen politischen und gesellschaftlichen Ordnung in Europa.
- "Legitimität": Mit diesem Prinzip bekräftigten die Monarchien, dass ihr Herrschaftsanspruch auf dem Willen Gottes begründet und damit rechtens sei.
- "Kompensation" meint, dass Fürstenhäuser, die unter Napoleon Gebietsverluste erlitten hatten, nach diesem Grundsatz entschädigt werden sollten.
- "Solidarität" bedeutet die Verpflichtung, jeder neuen Revolution auf dem Kontinent gemeinsam entgegenzutreten. Aus diesem Grund wurde beim Wiener Kongress ein System der regelmäßigen Konferenzdiplomatie vereinbart. Die Staatslenker wollten so ihre Politik und ihre Interessen besser untereinander abstimmen, um Konflikten vorzubeugen.
- System des Gleichgewichts: Dieses wollte man in Europa aufbauen. Die fünf europäischen Großmächte verpflichteten sich, die neue europäische Friedensordnung zu garantieren und zu bewahren. Dies funktionierte auch rund 40 Jahre lang.
Der Kongress dauerte schließlich länger als erwartet. Krisen überschatteten die Verhandlungen und die Uneinigkeit unter den Siegermächten brachte Europa an den Rand eines neuen Krieges. Zwischenzeitlich kehrte sogar Napoleon aus dem Exil zurück auf den französischen Thron, bevor er endgültig besiegt und verbannt wurde.
Doch am 9. Juni 1815 waren die Streitigkeiten beigelegt und der Verhandlungsmarathon konnte mit der so genannten "Wiener Kongressakte" abgeschlossen werden.
Die wichtigsten Ergebnisse: Frankreich wurde in seine Grenzen von 1792 zurückgeführt und wieder in den Kreis der Großmächte Österreich, Russland, Preußen und Großbritannien aufgenommen. Sachsen und Polen wurden größtenteils unter Preußen, Russland und Österreich aufgeteilt. Die deutschen Länder wurden in einem Staatenbund – dem so genannten Deutschen Bund – zusammengefasst, in dem Österreich den Vorsitz führte.
In den Augen der Kongressteilnehmer war damit das Gleichgewicht der Kräfte in Europa wiederhergestellt und durch eine neu verabredete Konferenzdiplomatie eine belastbare Friedensordnung geschaffen worden, die fast 40 Jahre bis zum Ausbruch des Krimkriegs 1853 halten sollte.
Der so genannte Kongress-Saal heute
(Erstveröffentlichung: 2024. Letzte Aktualisierung 16.02.2024)
UNSERE QUELLEN
- Heinz Duchhardt, "Der Wiener Kongress – Die Neugestaltung Europas 1814/15, Verlag C.H. Beck Wissen, München 2013
- Eberhard Weis: "Propyläen Geschichte Europas – Der Durchbruch des Bürgertums. 1776-1847". Verlag Ullstein Buch, 1982
- SWR 2: "Der Wiener Kongress 1814-1815" (2015)
- Bundeszentrale für Politische Bildung: "Aus Politik und Zeitgeschichte. Wiener Kongress" (PDF, 2015)
- Bundeszentrale für Politische Bildung: "Der Wiener Kongress und die Restaurationszeit" (2023)
- Deutsches Historisches Museum Berlin: "Lebendiges Museum Online. Die Neurordnung Europas 1814/1815", Berlin (2014)
- Haus der Bayerischen Geschichte: "Wiener Kongress, 18. September 1814 - 9. Juni 1815", Berlin
Quelle: WDR