Nationalbewegung contra Monarchie
Der Weg in den Nationalstaat, den im 19. Jahrhundert viele europäische Völker beschritten, war für die Deutschen und auch für Österreich keineswegs eine selbstverständliche Entwicklung. Zwar gab es starke Nationalbewegung, die Rufe nach Abschaffung der Monarchie, nach einem Nationalstaat mit einer freiheitlichen Verfassung, doch eine Massenbewegung war dies nicht.
Der Deutsche Bund, 1815 auf dem Wiener Kongress gegründet, setzte unter österreichischer Führung alles daran, die bestehende monarchische Ordnung aufrecht zu erhalten. Die kleinen Fürstentümer, die ihm angehörten, hatten ebenfalls wenig Interesse an einer nationalen Einigung. Nationale oder demokratische Ideen waren unerwünscht und wurden bekämpft.
Die Gründung des Nationalstaats wurde von Preußen vorangetrieben: König Wilhelm I. und Ministerpräsident Otto von Bismarck verfolgten zwar monarchische Interessen, waren aber grundsätzlich zur Zusammenarbeit mit der Nationalbewegung bereit. Letztlich setzte Bismarck aber auf die Macht der Kriege, die zur nationalen Einheit unter preußischer Führung verhelfen sollten.
Deutsch-Dänischer Krieg 1864
Die ungelöste Schleswig-Holstein-Frage führte 1863 zu einem Konflikt zwischen dem Königreich Dänemark und dem Deutschen Bund: Holstein mit seiner überwiegend deutschen Bevölkerung war zwar dänisches Herzogtum, gehörte aber dem Deutschen Bund an.
Das Herzogtum Schleswig mit einem großen Anteil dänischer Bevölkerung war ein dänisches Lehen. Dieser Status der beiden Herzogtümer sollte laut Londoner Protokollen von 1852 erhalten bleiben.
Die dänische Nationalbewegung hatte jedoch das Ziel, Schleswig und Holstein mit Dänemark zu einem Staat zu verschmelzen. Als der dänische König Christian IX. die sogenannte "Novemberverfassung" unterzeichnete, die das Herzogtum Schleswig Dänemark anschloss, kam es zum militärischen Konflikt.
Der Bundestag beauftragte ein sächsisch-hannoversches Kontingent, nach Holstein einzumarschieren. Im Januar 1864 besetzten Preußen und Österreich eigenmächtig Schleswig. Da Dänemark mit seiner Annexion Schleswigs internationales Recht gebrochen hatte, blieben die europäischen Großmächte neutral. Dänemark musste Schleswig, Holstein und Lauenburg an die beiden Sieger Preußen und Österreich abtreten.
Der Deutsche Krieg 1866
Die gemeinsame Verwaltung der Herzogtümer durch Preußen und Österreich sorgte bald für Konflikte; 1865 wurde daher im Vertrag von Gastein festgelegt, dass Holstein durch Österreich, Schleswig durch Preußen verwaltet werden sollte.
Schon 1866 kam es wieder zum Streit, in dem es nur vordergründig um die beiden Ländereien ging. Wirkliche Ursache war die Rivalität um die Vorherrschaft im Deutschen Bund. Österreich pochte auf eine endgültige Regelung der Schleswig-Holstein-Frage; Preußen warf Österreich den Bruch des Gasteiner Vertrags vor.
Am 7. Juni marschierte Preußen in Holstein ein. Zugleich trat Preußen aus dem Deutschen Bund aus und erklärte ihn für aufgelöst. Beide Seiten mobilisierten daraufhin Armeen und Verbündete und es kam zum Krieg.
Bereits nach wenigen Wochen endete der Krieg am 3. Juli 1866 mit dem Sieg Preußens in der Schlacht von Königgrätz in Nordböhmen. Preußen annektierte die meisten österreichischen Verbündeten nördlich der Mainlinie: Hannover, Kurhessen, Nassau und Frankfurt. Noch im gleichen Jahr wurde der Norddeutsche Bund unter preußischer Vorherrschaft gegründet; Österreich war endgültig aus Deutschland hinausgedrängt.
Der Deutsch-Französische Krieg 1870/1871
Preußen hatte nun zwar sein Ziel der Vormachtstellung erreicht, allerdings fehlten auf dem Weg zum Nationalstaat noch wichtige Staaten: Bayern, Baden und Württemberg waren souveräne Staaten ohne Ambitionen auf eine nationale Einigung oder den Anschluss an den Norddeutschen Bund.
Das änderte sich durch den Deutsch-Französischen Krieg 1870/71, der sich an der Neubesetzung des spanischen Königsthrons entzündete. Isabella II. von Spanien war durch einen Putsch abgesetzt worden und nun suchten die Putschisten bei den europäischen Herrscherhäusern nach einem neuen König für Spanien.
Ihre Wahl fiel auf Prinz Leopold von Hohenzollern-Sigmaringen – ein Verwandter des preußischen Königs aus der katholischen Nebenlinie der Hohenzollern. Das hätte einen Zuwachs an Einfluss für Preußen in Europa bedeutet. Dies musste Frankreich bedrohlich erscheinen.
Zudem suchte der französische König Napoleon III. nach einem außenpolitischen Erfolg, um von innenpolitischen Problemen abzulenken. Er forderte den Thronverzicht der Hohenzollern.
Der preußische König Wilhelm und sein Ministerpräsident Bismarck wiederum provozierten eine Kriegserklärung Frankreichs. Der Legende nach bestand die Provokation in der von Bismarck gekürzten Emser Depesche. Bismarcks Plan ging auf: Am 19. Juli 1870 erklärte Frankreich Preußen den Krieg. Daraufhin schlossen sich die süddeutschen Staaten Preußen an, kämpften gemeinsam gegen Frankreich und gewannen den Deutsch-Französischen Krieg.
Dies war der letzte Baustein auf dem Weg zum Nationalstaat. 1871 wurde das Deutsche Reich gegründet – als Bundesstaat unter der Vorherrschaft Preußens. Noch bevor es zum Waffenstillstand kam, wurde am 18. Januar 1871 im Spiegelsaal des Schloss Versailles das Deutsche Reich ausgerufen, mit Wilhelm I. als deutschem Kaiser.
UNSERE QUELLEN
- Deutsches Historisches Museum online: "Der Deutsche Bund"
- Deutsches Historisches Museum online: "Die Schleswig-Holstein-Frage von 1864"
- Deutsches Historisches Museum online: "Der Deutsche Krieg 1866"
- Gesellschaft für Schleswig-Holsteinische Geschichte: "Nationale Frage"
- Christoph Nonn: "Das deutsche Kaiserreich". Verlag C.H. Beck, München 2017